© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

Blick in die Medien
Kurzsichtiges Urteil
Tobias Dahlbrügge

Viele Autoren bekommen derzeit Post von ihren Verlegern. In den Briefen werden die Schreiber höflich, aber bestimmt gebeten, auf Ausschüttungen von der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) zu verzichten und dies durch Unterschrift zu bestätigen. Die VG Wort erhebt seit 1958 Abgaben auf Drucker, Kopierer, DVD-Brenner etc. und schüttet diese an Verlage und Autoren aus. Dadurch soll erreicht werden, daß die Urheber nicht leer ausgehen, wenn ihr Text kopiert und weiterverbreitet wird.

In ihrer Not bedrängen die Verlage die Autoren, doch bitte auf die Rückzahlungen zu verzichten.

So weit, so gut. Doch 2011 klagte ein wissenschaftlicher Autor gegen die VG Wort, weil er sich mit seinem Verlag nicht über die Verteilung des Geldes einigen konnte. Die Richter des Bundesgerichtshofes entschieden nun 2016 kurzerhand, daß die Verlage überhaupt kein Geld bekommen sollen und erklärten deren Beteiligung an den Abgaben per Urteil für rechtswidrig. Damit hat der Kläger eine Lawine losgetreten, die er vermutlich nicht beabsichtigt hatte – denn das Urteil gilt rückwirkend bis 2012, und die VG Wort fordert die gezahlten Beträge nun von den Verlegern zurück. Das könnte eine Schneise des Kahlschlages in die deutsche Verlagslandschaft schlagen. In Nischenverlagen fressen die Rückforderungen die Kapitaldecke auf.

In ihrer Not bedrängen die Verlage nun die Autoren, doch bitte auf die Rückzahlungen zu verzichten. Schon ruft der Buchhandel nach Einrichtung eines „Härtefall-Fonds“ für Kleinverlage, die durch die Forderungen von Pleite bedroht sind. Die Verlage appellieren an „Solidarität“ der Autoren und weisen dezent darauf hin, der Verzicht auf die Überweisung sei „eine wichtige Grundlage dafür, daß wir uns auch weiterhin uneingeschränkt für Ihre Publikationen einsetzen können“.

Was der Verzicht von ein- bis zweitausend Euro Jahresgehalt durch VG Wort-Erlöse für „kleine“ Autoren bedeutet, die finanziell „herumkrebsen“, haben weder Kläger noch Richter bedacht. Die Loyalität zwischen Autoren und Verlagen steht jedenfalls vor einer Zerreißprobe.