© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

„Noch nie so unsympathisch“
AfD: Über das Vorgehen im Fall Höcke herrscht im Vorstand weiter Uneinigkeit / Frauke Petry sorgt mit Moskau-Reise für Irritationen
Christian Vollradt


Die Geste ist sonst nur aus Fernost bekannt: Ein Mann bittet um Entschuldigung und verbeugt sich tief vor seinen Anhängern. Doch am vergangenen Wochenende ging es nicht um einen japanischen Manager, der rote Zahlen offenbaren mußte, sondern um Björn Höcke, Thüringens AfD-Landesvorsitzenden. Dem droht nach wie vor ein Parteiausschlußverfahren, das der Bundesvorstand gegen ihn beschlossen hat.


„Ich habe ein großes, ein wichtiges Thema leider in einer Bierzeltrede vergeigt“, sagte Höcke beim Parteitag in Arnstadt mit Bezug auf seine Dresdner Rede. Er sei in eine falsche Tonlage gefallen, habe Interpretationsspielräume zugelassen. „Dafür möchte ich mich hier entschuldigen.“ Dennoch beharrte Höcke darauf, er habe nicht gegen die Statuten der Partei verstoßen. Unter dem Beifall der Delegierten sagte er: „Ich verspreche euch, ich habe nicht vor, die AfD zu verlassen.“


Petrys Reise nach Moskau sorgt für Kopfschütteln


Unmittelbar vor dem Parteitag hatten zwei Gerüchte die Runde gemacht. Das eine lautete: Höcke werde nach zahlreichen Ermunterungen von der Basis sowie durch Brandenburgs Parteichef Alexander Gauland nun doch zur Bundestagswahl antreten und sich in Arnstadt nominieren lassen. Diese Vermutung wurde vor allem aus dem Lager der entschiedensten Höcke-Gegner fleißig gestreut. Auf dem Parteitag erfolgte rasch die Widerlegung. Höcke bleibt in Thüringen. Auf Platz 1 der Landesliste wurde Stephan Brandner gewählt, der einzige Landtagsabgeordnete, der nach Berlin wechseln soll.


Als ebenso falsch erwies sich Gerücht Nummer 2, wonach auch gegen André Poggenburg – Bundesvorstandsmitglied und AfD-Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt, ein Parteiordnungsverfahren geplant sei. Er hatte in einer Landtagsrede linksextreme Störer (JF 4/17) als „Wucherung am deutschen Volkskörper“ bezeichnet und damit Empörung in den anderen Fraktionen sowie Medien hervorgerufen. Freitag nachmittag schließlich schaffte Pressesprecher Christian Lüth Klarheit: „Der Bundesvorstand stellt einhellig fest, daß ihm keine entsprechenden Informationen vorliegen und es sich daher offenbar um ein Pressegerücht handelt.“
Weniger einhellig ist weiterhin die Bewertung des Ausschlußverfahrens gegen Höcke. Parteisprecher Jörg Meuthen teilte der JUNGEN FREIHEIT mit, er halte „angesichts der öffentlichen Entschuldigung Björn Höckes eine Neubewertung des Falles für angebracht“. Zumal er die Erfolgsaussichten für den Bundesvorstand in diesem Verfahren als gering einschätzt. Die Einschätzungen des von der Partei beauftragten Anwalts seien in erster Linie politisch und nicht juristisch, einige Bewertungen nannte Meuthen im Gespräch mit der JF gar „hanebüchen“.


Mancher AfD-Vorstand schätzt die Lage anders ein. So soll der stellvertretende Bundesvorsitzende Albrecht Glaser laut FAZ in einer Mail prognostiziert haben, die Partei könne mit Führungsfiguren wie Höcke „nicht nur berechtigterweise vom Verfassungsschutz überwacht werden“, sondern auch „in den Fokus von Verbotsverfahren geraten“. Und sein Kollege Georg Pazderski aus Berlin warnte in einem Mitgliederschreiben, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, vor dem Verlust bürgerlicher Wähler. Laut einer Umfrage bewerteten 74 Prozent die AfD als eine „rechtsextreme“ Partei. „Noch nie waren wir so unsympathisch“, beklagt Pazderski. Er fordert eine Politik „ohne Extremismus, ohne Haß und ohne die Verunglimpfung des politisch Andersdenkenden“.


Am Dienstag stoppte eine Mehrheit des Bundesvorstands ein von Meuthen und Gauland initiiertes Mitgliederschreiben, in dem indirekt vor dem Rauswurf Höckes gewarnt wird: Die Partei brauche „keine Säuberungen“. Den Antrag, die entsprechende Rundmail per Umlaufbeschluß des Vorstands zu stoppen, stellte Beisitzer Dirk Driesang, ein Vertrauter Frauke Petrys.


Unterdessen sorgte Petry Anfang der Woche für Verwunderung bei einzelnen Parteiprominenten, als ihre Reise nach Moskau bekannt wurde. Dort hatte sie Gespräche mit Duma-Präsident Wolodin und anderen Vertretern der Partei Einiges Rußland. Mit dabei war jedoch auch Duma-Rechtsaußen Wladimir Schirinowski. Bekannt wurde das Treffen, weil die russische Seite sich offensichtlich nicht an die vereinbarte Vertraulichkeit gehalten hatte. Erst im nachhinein hatte Petry daraufhin ihre Vorstandskollegen informiert; von Schirinowskis Anwesenheit sei sie vorab nicht unterrichtet gewesen.


Allerdings hatte der AfD-Vorstand nach Kenntnis der JF erst kurz zuvor die Regel, wonach Auslandskontakte nicht auf eigene Faust geknüpft werden dürften, sondern der Absprache bedürften, mehrheitlich gekippt. Dennoch sorgte die Reise für einiges Kopfschütteln – vor allem wegen der Außenwirkung. Co-Sprecher Meuthen sagte, die Treffen in Moskau an sich seien kein Problem. „Aber Schirinowski ist eindeutig kein adäquater Gesprächspartner.“