© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

Alte Konflikte, neue Bündnisse
Sicherheitskonferenz: In München konnten nicht alle Unstimmigkeiten zwischen Amerikanern und Deutschen ausgeräumt werden / Kritik an Iran
Marc Zoellner


Sichtlich schlecht gelaunt blickte die Kanzlerin auf die Bühne, und auch Ursula von der Leyen wollte nicht mehr applaudieren: „Wir Europäer wissen das Bekenntnis der Vereinigten Staaten für Sicherheit und Freiheit auf unserem Kontinent zu schätzen“, so hatte die Bundesverteidigungsministerin noch zur Eröffnungsrede im Hotel Bayerischer Hof im malerischen Herzen der Freistaat-Metropole bekundet. „Ja, wir wissen, daß wir einen größeren, einen faireren Teil der Lasten für die gemeinsame atlantische Sicherheit tragen müssen.“


Doch als Mike Pence einen Tag später an das Rednerpult trat, verschlug es den Vertretern der Bundesregierung die Sprache. „Das Versprechen, die Last unserer Verteidigung zu teilen, wurde viel zu lange nicht erfüllt“, mahnte der US-Vizepräsident mit deutlichem Blick auf Merkel und von der Leyen. Der Präsident der Vereinigten Staaten erwarte „von unseren Verbündeten, ihr Wort zu halten“. Für die meisten bedeute dies, „daß die Zeit gekommen ist, endlich mehr zu tun“. Mit dieser Belehrung hatten die Gastgeber wohl nicht gerechnet.


Die 53. Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende (JF 8/17) war ein Macht- und Prestigekampf auf höchster Ebene: Auf der einen Seite die amerikanische Regierung, welche als Kernziel ihr Wahlversprechen noch einmal deutlich formulierte, den europäischen Kontinent für seine eigene Sicherheit künftig enger in die finanzielle Verantwortung zu nehmen.


Auf der anderen Seite das alte Eu-ropa, das gesichtswahrend an die enge historische Verbundenheit der Transatlantikstaaten appellierte und schließlich zaudernd den Washingtoner Forderungen nachzukommen versprach. Und mittendrin der russische Außenminister Sergej Lawrow, der in der Nato nichts weiter als „eine Institution des Kalten Kriegs“ sah, „sowohl im Denken als auch im Herzen“ – und gleichzeitig für eine „postwestliche Weltordnung“ plädierte; bestenfalls unter Führung des Kreml.


Tatsächlich hatte Pence mit seiner Kritik nicht unrecht: Denn mit Griechenland, Polen, Estland und Großbritannien erfüllen gerade einmal vier der 26 europäischen Nato-Mitglieder  die 2014 getroffene Vereinbarung, ihren Rüstungshaushalt auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufzustocken. Mit 3,6 Prozent sind die USA noch immer Vorreiter im Bündnis; Deutschland hingegen bildet mit gerade einmal 1,2 Prozent eines der Schlußlichter.


Doch hatte Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) noch im Vorfeld der Veranstaltung eine massive Aufstockung als „unrealistisch“ zurückgewiesen, so wußte seine Verteidigungsministerin, in München die Bedenken der Amerikaner zumindest teilweise auszuräumen. Bereits im vergangenen Jahr habe sie „dem Parlament einen strategischen Plan für die nächste Dekade vorgelegt“, so von der Leyen. „Er umfaßt für die vor uns liegenden Jahre ein Investitionspaket von 130 Milliarden Euro.“


Trennlinie zwischen Gemäßigten und Radikalen


Versprechen waren das Fazit der Münchner Sicherheitskonferenz mit ihren gut 80 teilnehmenden Außen- und Verteidigungsministern. Jene zu engerer internationaler Zusammenarbeit in der globalen Sicherheit und der Terrorbekämpfung; zu massiv erhöhten Rüstungsausgaben insbesondere in Europa; zu einer Kompromißfindung im anhaltenden Ukrainekonflikt (siehe Seite 9); zur fortwährend bestehenden Treue der USA zum Transatlantikbündnis.
Und auch in Sachen neuer Bündnisse, so wie im Falle des Iran, dessen Außenminister Mohammed Sarif am Sonntag ankündigte, Teheran werde „mit den Ländern, die wir Brüder im Islam nennen“, eine Allianz der Staaten am Persischen Golf schmieden. Hier eingeschlossen seien bereits Kuwait und der Oman, welche der iranische Präsident Hassan Rouhani zuletzt vorvergangene Woche besucht hatte.
Die Reaktion auf den iranischen Vorstoß war ein neu formiertes Bündnis von überraschender Natur: der Schulterschluß zwischen Israel, Saudi-Arabien und der Türkei in der Forderung nach neuen Sanktionen gegenüber Teheran sowie der Aufruf des israelischen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman nach einem Dialog unter den sunnitischen Staaten, um gemeinsam die terroristischen Kräfte im Nahen Osten zu besiegen. „Die wirkliche Trennlinie verläuft nämlich nicht zwischen Juden und Muslimen“, so Lieberman vor Journalisten in München, „sondern zwischen gemäßigten und radikalen Menschen.“