© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/17 / 24. Februar 2017

Bausparkassen dürfen gut verzinste Altverträge einfach kündigen
Kollateralschaden
Jörg Fischer

Regierung, FDP, Grüne und linke Realos, EU, Konzernverbände und DGB-Gewerkschaften sowie die Leitmedien und ihre oft zitierten Experten streiten sich gern über Details. Grundsätzlich paßt zwischen sie aber meist kein Blatt Papier. Das gilt für das Thema Einwanderung genauso wie für den Euro. Die Währungsunion sei ein „konkretes Zeichen europäischer Identität“, sie soll den „Bürgern zu mehr Wohlstand verhelfen“, heißt es in einer der Propaganda-Broschüren.


Welche Vorteile die dort auch angespriesenen „niedrigen Zinsen“ haben, spüren die Finanzminister in ihren klammen Haushalten: Sie können sich faktisch zum Nulltarif verschulden. Oder wie es im EU-Agitprop heißt: Der Euro biete „einen Rahmen für gesündere öffentliche Finanzen“. Auch Häuslebauer müssen derzeit viel weniger für Immobilenkredite zahlen – doch es gibt eine unangenehme Kehrseite: Die deutschen Bausparkassen haben seit Beginn der EZB-Niedrigzinsphase 2014 über eine Viertelmillion Ansparverträge gekündigt, weil diese inzwischen vergleichsweise hohe Zinsen (zwei bis fünf Prozent) abwerfen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun am Dienstag in letzter Instanz, daß Wüstenrot rechtens gehandelt habe (Urteile XI ZR 272/16 und 185/16).


Als die Verträge vor über zehn Jahren abgeschlossen wurden, sei die Nullzinspolitik der EZB noch nicht absehbar gewesen, argumentierten die Bausparkassen. Hohe Zinsen zu zahlen und gleichzeitig niedrig verzinste Bauspardarlehen zu vergeben, torpediere ihr Geschäftsmodell. Diese Argumentation ist nachvollziehbar – zu D-Mark-Zeiten wurde mit einem zuteilungsreifen Bausparvertrag ein Eigenheim errichtet oder eine Altimmobilie renoviert. Inzwischen sind die Zinsen auf Bausparguthaben wesentlich höher als auf anderen Sparkonten. Bauspardarlehen sind allerdings viel teurer als Baugeld von der Bank und so immer weniger gefragt. Aber da Europa scheitert, wenn der Euro scheitert, sind die Folgen für Bausparer lediglich nur ein weiterer Kollateralschaden.