© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/17 / 03. März 2017

Fusion zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange
Hessischer Protektionismus
Thomas Kirchner

Mit Jobs als Taxifahrer und Außenminister hat sich Joseph Martin Fischer schon durchgeschlagen, doch seit 2010 verwandelt er seine politischen Kontakte genauso effizient in bare Münze wie es Madeleine Al­bright oder Hillary Clinton vorgemacht haben: für eine halbe Million Euro hat die Deutsche Börse die Joschka Fischer & Company engagiert, damit der 68jährige auf den hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir einwirkt, die Fusion mit der Londoner Konkurrenz (LSE) durchzuwinken.

Nach einem Veto der EU-Wettbewerbshüter wird Fischers Hilfe wohl nicht benötigt. Die 2015 eingeleitete Fusion, der dritte Versuch seit 2000, steht an mehreren Fronten unter Druck. Gegen den Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, laufen Ermittlungen wegen Insiderhandels. Problematischer ist der politische Druck. Englische Politiker trauen den Deutschen nicht über den Weg. Selbst wenn die Zentrale formell in London bleiben sollte, so die Befürchtung, würden die Entscheidungsträger nur kurz aus Frankfurt einfliegen und de facto würde diese traditionelle Institution der City ins Ausland abwandern. Hessische Politiker wiederum bestehen darauf, daß die Zentrale in Frankfurt verbleibt, teils aus Angst um den Verlust von Arbeitsplätzen, teils als Rache für das Brexit-Votum. 

Die Grünen haben zur Finanzbranche ein zwiespältiges Verhältnis, seit man am deutschen Finanzplatz Frankfurt den Wirtschaftsminister stellt. Gaben früher Antikapitalisten wie der EU-Abgeordnete und Attac-Mitgründer Sven Giegold den Ton an, opponieren heute Pragmatiker wie Al-Wazir sogar gegen die Finanztransaktionssteuer. In Hessen leidet man wie in der FAZ an maßloser Selbstüberschätzung. Mainhattan ist und bleibt gegenüber London Finanzprovinz. Hoffnungen keimten auf, als 1998 die EZB ihren Sitz in der Mainmetropole fand. Ein Blick in die USA hätte gezeigt, daß New York sich als Finanzplatz behauptet, obwohl die Zentralbank in Washington sitzt.

Die Zentrale einer Börse in Frankfurt hätte genausowenig Auswirkungen. London war schon immer globales Finanzzentrum, daran wird der Brexit nichts ändern. Nicht zum Spaß sandten einst die Warburgs oder Rothschilds ihre Söhne nach London, auch Thomas Mann ließ einen Sprößling der Buddenbrooks dorthin ziehen. Das angelsächsische Rechtssystem, qualifiziertes Personal, englische Sprache, günstige Steuern, eine Kultur des Unternehmertums und Risikos sowie keine Mitbestimmung bleiben ein Standortvorteil gegenüber Frankfurt.

Die Hessen und auch Fischer haben Glück, daß die EU die Fusion blockiert und jetzt als Buhmann dasteht. So kann Hessen die eigenen Versuche des Protektionismus noch einmal verschleiern. Freuen werden sich die Franzosen, deren Börse Euronext jetzt nicht gegen einen fusionierten Giganten im Wettbewerb steht.