© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/17 / 03. März 2017

Aufstand gegen den globalen Zeitgeist
US-Wirtschaftspolitik: Donald Trumps Pläne dürften kurzfristig aufgehen, langfristig überwiegen die Risiken und Nebenwirkungen
Dirk Meyer

Welche Ziele verfolgt Donald Trump? Politisch scheint vieles unklar. Die US-Börse hat die Frage aus ihrer Sicht aber längst beantwortet: Der Dow-Jones- und der Nasdaq-Index haben seit der Wahl am 9. November um 15 Prozent zugelegt. Offenbar setzen die US-Investoren große Hoffnungen auf den neuen US-Präsidenten.

Das hat viele überrascht, denn Trump hat ein umfangreiches, aber ungewöhnliches Wahlprogramm vorlegt, das jeder inzwischen auch auf deutsch nachlesen kann. In klaren, einfachen Worten skizziert Trump in dem Buch „Great Again“, wie er „Amerika retten“ will. Und ansichts seiner bisherigen Executive Orders verdient Trump ohne weiteres den Begriff des agilen politischen Schumpeter-Unternehmers, der von seiner bahnbrechenden Innovation so überzeugt ist, daß er sie gegen die verschiedensten Widerstände durchzusetzen gedenkt.

Drei Fragen stellen sich dem Leser gleich zu Beginn. Erstens: Geht es den USA wirtschaftlich so schlecht, daß eine Rettung auf der Basis eines fundamentalen Politikwechsels notwendig wäre? Zweitens: Erfüllt das Programm den Anspruch einer grundlegenden (Er-)Neuerung? Drittens: Wie wahrscheinlich ist ein Erfolg? Als bisheriger Lenker eines Immobilien-Konglomerats (Grundstückserschließung; Errichtung, Renovierung und Betreiben von Immobilien sowie von Freizeiteinrichtungen wie Golfplätzen) sieht er „Amerika“ als „sein“ Unternehmen, als dessen Vorstandschef (CEO) er Entscheidung und Verantwortung übernommen hat.

Dies erklärt seine durchgreifende Dekretpolitik abseits des gesetzgebenden Kongresses und seine auf die USA fixierte Binnenorientierung – ohne Rücksicht auf die Interessen anderer Länder. Auch seine eher kurzfristige Ausrichtung von Maßnahmen und die Vernachlässigung der langfristigen und teils zurückwirkenden Zweitrundeneffekte sprechen für eine betriebs-, statt volkswirtschaftlich-globale Sichtweise. Wirtschaftlich stehen die USA durchaus gut da: Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 56.084 Dollar klar vor Deutschland (40.952); im Fünf-Jahres-Schnitt ein Wachstum von zwei Prozent, eine Inflation von 1,2 Prozent und eine offizielle Arbeitslosenquote von 4,7 Prozent.

Eine „Rettung“ muß demnach anders begründet werden, und da setzt sein innovatives Moment an. Die Vorteile der Globalisierung spüren die mobilen, gebildeten Arbeitskräfte und die Kapitalbesitzer durch gestiegene Einkommen sowie die Konsumenten durch günstige Importpreise. Gut bezahlte Industriearbeitsplätze gingen hingegen verloren. Untersuchungen von David Autor (MIT) ergeben seit der Jahrtausendwende einen Verlust durch Importkonkurrenz aus China von zwei Millionen Arbeitsplätzen. Verlierer sind die Stahlwerker in Pittsburgh und Autobauer aus Detroit. Als ältere Arbeitslose stehen ihre Chancen im Silicon Valley denkbar schlecht. Zählten Chrysler, Ford und General Motors 1990 bei einem Börsenwert von 36 Milliarden Dollar noch 1,3 Millionen Mitarbeiter, so beschäftigten Apple, Facebook und Google 2015 nur 185.000 – bei einem Börsenwert von 1.428 Milliarden Dollar.

Eine Nebenbedingung des Freihandels – der Ausgleich der Verlierer durch ein soziales Sicherungssystem – wurde nicht eingehalten und gefährdet aktuell den Zusammenhalt der US-Gesellschaft. Protektionismus (Einwanderungsstopp, Zölle auf Industriewaren) hätte dann Gewinner: Verbesserungen am unteren Ende der Einkommens-/Beschäftigungspyramide. Die Inlandslöhne für Niedrig-qualifizierte (Hausmeister, Taxifahrer, Gärtner, Kindermädchen) steigen, eine Reindustrialisierung scheint möglich: „America first!“, wie Trump sagt.

Kurzfristige Erfolge sind daher wahrscheinlich – die langfristigen Wirkungen dürften aber auch der Weltmacht USA erheblich schaden. Schutz vor Auslandskonkurrenz verzögert Anpassungen und mindert die Anreize zur Entwicklung innovativer, kostengünstiger Produkte. Protektionismus wirkt als Bestandsschutz zu Lasten der amerikanischen Konsumenten, denen die Wahl der besseren ausländischen Produkte genommen wird. Sollten entsprechende Zölle gar mit protektionistischen Maßnahmen des Auslandes beantwortet werden, dürften ein internationaler Handelskrieg und ein Abwertungswettlauf der Währungen erhebliche Wohlstandsverluste für alle bewirken.

Zudem scheint Trumps Wirtschaftspolitik widersprüchlich: Ein Konjunkturschub durch Steuersenkungen, schuldenfinanzierte Infrastrukturinvestitionen und Deregulierung wird bei derzeitiger hoher Kapazitätsauslastung die Inflation beflügeln. Eine notwendige Leitzinserhöhung der Notenbank ließe den Dollarkurs steigen. Ein weiterer Anstieg ergibt sich aus den Importbeschränkungen. Resultat wäre ein Trumpsches Dollarparadoxon: Eine Dollarabwertung soll die Leistungsbilanz verbessern, die angekündigte Politik bewirkt jedoch das Gegenteil. Fazit: Volkswirtschaftlich schlüssig scheint diese Politik nicht.





Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Donald Trump: Great Again!  Wie ich Amerika retten werde. Plassen Verlag, Kulmbach 2016, gebunden, 224 Seiten, 17,99 Euro