© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/17 / 03. März 2017

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Während die US-Streitkräfte so ziemlich alles für ihre Imagepflege tun, von der Erfindung und Plazierung des neuesten Ballerspiels bis zur Stützung irgendwelcher Hollywoodstreifen, in denen heldenhafte Seals, Marines oder wenigstens Militäranwälte auftreten, scheint die Bundeswehr trotz Nachwuchsmangels und strukturellem Pazifismus solches nicht nötig zu haben. In der Unterhaltungsbranche kommt der deutsche Soldat nach Kampfeinsätzen jedenfalls nur als psychisches Wrack, Kinderquäler, Ehefrauenschläger oder potentieller Killer vor. Immerhin: Wir wissen nun alle, was das Kürzel PTBS bedeutet.

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Der französische Präsidentschaftskandidat der Linken, Emmanuel Macron, hat sich im Süden des Landes unbeliebt gemacht mit der Feststellung, es habe im Algerienkrieg „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gegeben. Die Empfindlichkeit der Zuhörer kann man in Teilen darauf zurückführen, daß sie „pieds noirs“ sind, Nachkommen der geflohenen Algerienfranzosen. Aber es geht natürlich auch um das Du-sollst-nicht-vergleichen-Gebot. Davon wußten die Zeitgenossen des Geschehens in den 1950er Jahren nichts, und man muß nicht einmal Sartre bemühen, der die Parallele zwischen Kolonial- und NS-Verbrechen immer wieder betonte. Der Spiegel meinte damals lapidar: Die von der französischen Armee aus Einheimischen aufgestellten Bautrupps unterschieden sich nicht von denen der Organisation Todt, und in den Lagern, die man für die unruhige Bergbevölkerung errichtet hatte, herrschten „wie auch in den Gefangenenlagern der Armee (…) oft genug KZ-Zustände“.

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Die Formulierung der Kanzlerin, Volk sei jeder, der hier lebe, ist entweder unbedacht oder durchtrieben. Unbedacht, wenn damit die Verfassungsgrundlage in Frage gestellt wird, der gemäß das Volk ein Staatsvolk ist, also eine Gemeinschaft von Staatsbürgern, ergänzt um gewisse schutzbefohlene Gruppen. Durchtrieben, wenn das ein Versuch sein sollte, nun auch in dieser Hinsicht die fortschrittlichen, aber stets zuwachshungrigen Vorbilder im Westen – Frankreich und die USA – zu kopieren.

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Bildungsbericht XCIX in loser Folge: Der Brandbrief der Frankfurter Grundschulrektoren und -konrektoren ist verständlich. Die geschilderten Zustände – unerzogene, ungebildete Kinder in Menge, davon zahlreiche ohne Deutschkenntnisse, vor allem, wenn sie mit der letzten Einwanderungswelle gekommen sind, Verhaltensauffällige und Behinderte, die man „inkludieren“ soll, und das alles ohne ausreichendes Personal, ohne ausreichende Mittel und ohne ausreichendes Material – sind tatsächlich skandalös. Allerdings wird sich an der grundsätzlichen Problematik auch dann nichts ändern, wenn mehr Lehrer, Psychologen, Sozialpädagogen, Einzelfallhelfer eingestellt und die Schulen besser ausgestattet werden. Eine so heterogene Gruppe von Kindern ist nicht „beschulbar“. Ein Problem, seit Jahrzehnten bekannt, aber immer weggedrückt, weil ja nur „Brennpunkte“ betroffen waren, infolge des politischen Laissez-faire längst zum Flächenphänomen geworden und nun im Zuge des laufenden Bevölkerungswechsels vor aller Augen stehend.

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Die Forderung der von der SPD gestellten Integrationsbeauftragten Aydan Özoguz, hier lebende Ausländer mit dem Wahlrecht auszustatten, und die der Juso-Führung, allen Asylsuchenden ein Zuwanderungsrecht einzuräumen, lösen kaum noch Irritation aus. Die FAZ immerhin hat auf der letzten Seite ihres Politikteils einen kleinen Kommentar gebracht, in dem ein Redakteur verschämt Unbehagen angesichts der sozialdemokratischen Tendenz zur Auflösung des Staatsvolks äußern durfte.

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Die katholische Rheinbundrepublik hat auch insofern kulturelle Folgen nach sich gezogen, als die gesamte Bevölkerung – einschließlich der Teile ohne Karnevalsgen – televisionär mit Büttenreden, Funkenmariechen und Rosenmontagsumzügen beglückt wird.

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Die Rede Trumps vor der Conservative Political Action Conference war aufschlußreich. Nicht so sehr wegen des Inhalts, sondern wegen des Skandals im Vorfeld – um einen schwulen rechten Provokateur mit irritierenden Äußerungen zur Pädophilie, der ursprünglich als Referent geladen war –, wegen der Intonierung der Nationalhymne à la Jimmy Hendrix, wegen bestimmter Teile des Publikums, darunter einer, der nicht weiß, wo der Schirm einer Kappe hingehört, und wegen der Unfähigkeit des neuen Präsidenten, sein Jackett zu schließen. Man muß keine Sympathie für die Art und Weise haben, wie die etablierten Medien mit dem neuen US-Präsidenten und seiner Anhängerschaft umgehen, aber man muß doch feststellen, daß Stilfragen aus konservativer Sicht erheblich sind und daß es sich hier nicht um Konservative handelt, weder Neos noch Paläos.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 17. März in der JF-Ausgabe 12/17.