© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/17 / 03. März 2017

Knapp daneben
Mata Hari des Kinderzimmers
Karl Heinzen

Cayla ist hübsch anzusehen. Mit ihren blauen Kulleraugen und ihrem langen, blonden Haar hat sie die Herzen Tausender Kinder erobert. Sie haben mit ihr gespielt. Sie haben sie an- und ausgezogen. Sie haben mit ihr geredet und ihr Dinge anvertraut, die sie niemals ihren Eltern erzählen würden. Doch Cayla hat sie alle verraten.

Oder hätte sie jedenfalls alle verraten können, meint die Bundes­netzagentur, denn die Puppe kann eine ungesicherte Bluetooth-Verbindung zu jedem geeigneten Empfänger aufbauen, der dann mithört, was ihr Mikrofon aufschnappt. Dieses Mikrofon ist von außen nicht erkennbar, daher handelt es sich nach Paragraph 90 des Telekommunikationsgesetzes um eine „getarnte Sendeanlage“. Cayla ist somit keine Freundin. Sie ist eine Spionin, die Mata Hari des Kinderzimmers.

Ein Babyphone ist ein nicht weniger gravierender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Kindern.

Gegen diesen Rechtsverstoß kann es aus Sicht der Bundesnetzagentur nur eine angemessene Sanktion geben: Cay- la muß vernichtet werden. Darauf zu setzen, daß Eltern dieser Aufforderung freiwillig Folge leisten, wäre naiv. Die Gefahr, daß sie weich werden und ihrem verzweifelten Kind zuliebe die Puppe verschonen, ist groß. Die Bundesnetzagentur verlangt daher, daß die Zerstörung durch einen Vernichtungsbescheid einer Abfallwirtschaftsstation oder ein Beweisfoto dokumentiert wird. Eltern, die sich dieser Anordnung widersetzen, droht ein Bußgeld. Cayla ist aber nur ein besonders subtiles Mittel, um Kinder auszuspionieren. Andere sind nicht weniger bedenklich, werden aber hingenommen. Kleine Kinder und Säuglinge wissen zumeist noch gar nicht, wie ein Mikrofon aussieht und wozu es dient. Man muß es daher gar nicht verstecken. Ein Babyphone zum Beispiel ist ein nicht weniger gravierender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Kindern. Dennoch gilt sein Einsatz als rechtmäßig. Kinder lassen sich aber auch ohne technische Hilfsmittel ausspionieren. Wenn sie malen, geben sie oft mehr über ihr Seelenleben preis, als ihnen recht sein kann. Es klingt harmlos, daß Eltern ihre Kinder ja bloß verstehen wollen. Dieser Wunsch findet aber seine Grenze im Recht auf informationelle Selbstbestimmung.