© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Aus dem Hinterhalt
Paul Rosen

Im Regelfall herrscht in den großen politischen Fragen Einigkeit im Bundestag. Ob Griechenlandkredite, Europa, Energiewende: die Positionen der vier Fraktionen unterscheiden sich selten um mehr als Randfragen. Entsprechend rar sind „große“ Debatten geworden. 

Am Freitag wird dies wenigstens ein Stück weit anders sein. Im Bundestag steht die Pkw-Maut auf der Tagesordnung. Zu beschließen gibt es noch nichts, es handelt sich um die Einbringung der Gesetzentwürfe der Bundesregierung. Die Entwürfe sehen die Einführung einer Autobahnmaut für alle Fahrzeuge (also auch die ausländischen) bei gleichzeitiger Entlastung der deutschen Autofahrer vor. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) setzt damit ein zentrales Wahlversprechen der CSU aus dem Bundestagswahlkampf 2013 um. Die Reaktion der anderen Parteien war stets verhalten bis ablehnend. Kanzlerin Angela Merkel hatte im Wahlkampf gesagt, mit ihr werde es die Maut nicht geben. Auch SPD, Grüne und Linke waren dagegen. 

Allerdings wurde die Einführung der Maut im Koalitionsvertrag vereinbart, was den Sozialdemokraten eine Zustimmung abnötigt, auch wenn sie eigentlich dagegen sind. Hoffnungen, die EU-Kommission könnte das CSU-Projekt stoppen, erfüllten sich nicht. Dobrindt verhandelte die Probleme in Brüssel weg. Trotz der Kritik von ADAC bis Opposition sahen sich Dobrindt und die CSU fast am Ziel, nachdem die mit Brüssel offenbar abgestimmten Gesetzentwürfe das Bundeskabinett passiert hatten.

Der Schuß kam aus dem Hinterhalt. Aus der Bundestagsverwaltung und angeblich vom „Wissenschaftlichen Dienst“ präsentierten die Grünen ein „Gutachten“, in dem die Maut auch in der neuen Fassung als nicht europarechtskonform beurteilt wird. Das „Gutachten“, das der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Oliver Krischer in Auftrag gegeben hatte, kommt zu dem Schluß, daß eine „mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit“ vorliege, die „sich nicht auf unionsrechtlich anerkannte Rechtfertigungsgründe stützen läßt“. 

Das saß. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer war fassungslos ob „so viel fachlicher Ignoranz“ und stellte „die Frage nach dem Sinn des Wissenschaftlichen Dienstes“.

Doch das angebliche Gutachten stammte überhaupt nicht vom Wissenschaftlichen Dienst. Es kam aus der Unterabteilung Europa der Bundestagsverwaltung. Diese Unterabteilung wurde 2013 gebildet und befindet sich fest in rot-grüner Hand. Unterabteilungsleiter Sven Vollrath war früher Büroleiter von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). Unter den Referatsleitern befindet sich auch Angelika Büter, Ehefrau des Grünen-Politikers Jürgen Trittin. Bis auf ein oder zwei Mitarbeiter gilt die Unterabteilung als komplett rot-grün und versorgt den Bundestag mit entsprechend eingefärbten Dokumenten. 

Die Fraktionsführung der Union hatte den Aufbau dieser Unterabteilung sogar noch begrüßt. Jetzt dürfen sich Scheuer und Co. nicht wundern, daß von hier Papiere kommen, die den Gegnern der CSU die Argumente liefern.