© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Eine falsche Abhängigkeit vermeiden
Vorsorgevollmacht und Pflegebedürftigkeit: Wer in guten Tagen Entscheidungen delegiert, ist für böse Tage besser gewappnet
Peter Offermann

Ein Pflegefall trifft einen meist unerwartet. Vieles ist nun zu erledigen und stellt für die meisten Angehörigen eine immense Überforderung dar. Denn die wenigsten wissen, an wen sie sich wenden können und was jetzt alles auf einen zukommt.

Schwierig wird es, wenn man keine Vorsorgevollmacht hat. Mit dieser können Sie eine Ihnen vertraute Person, meist ist das der Ehepartner oder die Kinder, damit bevollmächtigen, Ihre Angelegenheiten zu regeln und Entscheidungen zu treffen, falls Sie selbst dazu nicht in der Lage sein sollten. Und dies ist immens wichtig. Egal ob für jung oder alt. Tritt der Fall der Fälle ein, beispielsweise aufgrund einer schweren Krankheit oder eines Unfalls, dürfen Kinder oder Partner keine Entscheidungen mehr fällen, wenn im Vorfeld keine Vorsorgevollmacht vereinbart wurde. In diesem Fall übernimmt die Entscheidungen ein vom Gericht bestellter gesetzlicher Vertreter. Und diese können gegebenenfalls nicht unbedingt in Ihrem Sinne sein.

Vollmacht muß nicht notariell beglaubigt sein

Aber nicht nur im Pflegefall ist die Vorsorgevollmacht wichtig. Jüngere Menschen, besonders junge Paare, sollten sich frühzeitig darüber Gedanken machen. Denn sonst übernimmt Entscheidungen wie das Verfügen über das gemeinsame Vermögen ein Dritter für Sie, wenn einer der Partner beispielsweise aufgrund eines Unfalls vorübergehend außer Gefecht gesetzt ist. Auch wenn hier eine Gesetzesänderung durch das Bundesjustizministerium geplant ist, die es Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern gestatten soll, gewisse Entscheidungen auch ohne Vollmacht zu treffen.

Aber Achtung: Entgegen dem Entwurf der Länder möchte die Bundesregierung die Vertretung durch den Ehegatten nur auf Gesundheitsangelegenheiten beschränken. Und auch wenn die Zahl der Vorsorgevollmachten steigt, so sind immer noch die meisten nicht im Besitz dieses wichtigen Dokumentes.

Die einzigen, welche keine Vorsorgevollmacht benötigen, sind Eltern von minderjährigen Kindern, denn diese sind deren gesetzliche Vertreter. Eben das ist der Haken an den Sache: Ehepartner, Kinder oder eine vertraute Person sind dies nicht.

Aber auch mit Vorsorgevollmacht gibt es einige Dinge zu beachten. So muß sie entgegen vieler Vermutungen nicht notariell beglaubigt sein, da die Vorsorgevollmacht formfrei ist. Es können also auch individuelle Formulierungen und Vereinbarungen getroffen werden wie zum Beispiel, daß sich der Sohn um die Geschäfte und die Ehefrau um die gesundheitlichen Belange kümmern oder aber beide gemeinschaftlich handeln sollen. Ebenfalls wichtig zu wissen ist, daß eine Vollmacht jederzeit formlos widerrufen werden kann und auch mehrere Personen (zum Beispiel alle Kinder) eingetragen werden können. Für die Bevollmächtigten ist wichtig zu wissen, wo die Vorsorgevollmacht im Original aufbewahrt wird, denn Kopien genügen nicht. Auch muß der Vollmachtgeber nicht befürchten, daß der Bevollmächtigte frei über sein Vermögen verfügen kann. Näheres sollte im Dokument festgelegt werden. So können Schenkungen komplett verboten oder aber in einem gewissen Rahmen erlaubt werden, wie beispielsweise das Weihnachtsgeschenk an die Haushaltshilfe. Lediglich eine Generalvollmacht sieht keine Grenzen vor.

Auch muß man nicht befürchten, daß der Bevollmächtigte sämtliche Bankgeschäfte frei und uneingeschränkt tätigen kann. Banken verlangen in der Regel eine notariell beglaubigte oder beurkundete Vollmacht oder eine durch beide Parteien unterzeichnete Bankvollmacht. Ebenso sollte die Gültigkeit festgelegt werden für die denkbaren Fälle von vorübergehender oder dauerhafter Geschäftsunfähigkeit. Und auch wenn es im Internet zahlreiche Vordrucke zu diesem Thema gibt – es empfiehlt sich immer die individuelle Ausarbeitung, damit es, erst recht wenn es sich um eine kurzfristige Geschäftsunfähigkeit handelt, kein böses Erwachen gibt.

Wenn der Pflegefall eintritt, sollten Sie sich so viele Informationen wie möglich beschaffen. Erste Anlaufstellen sind hier meist der Hausarzt, Facharzt, die behandelnde Klinik oder die gesetzliche oder private Pflege- beziehungsweise Krankenkasse. Aber auch Sozialstationen in Krankenhäusern, unabhängige Patientenberatungen, das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit, das Sozialamt, Pflegedienste oder Selbsthilfegruppen für das jeweilige Krankheitsbild erteilen Auskunft.

Demenzkranke benötigen eine intensive Betreuung

Wenn der Antrag auf Pflegegrad gestellt ist, wird im nächsten Schritt ein Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes vorbeischauen, um den Pflegegrad festzustellen. Durch die Umstellung der Pflegestufen in die fünf Pflegegrade zum 1. Januar 2017 profitieren insbesondere die zahlreichen Demenzkranken, die in der Regel körperlich meist noch gesund sind, jedoch eine intensive Betreuung benötigen. Diese erhielten vorher meist weniger und vor 2012 so gut wie gar keine Leistungen von der Pflegekasse.

Als nächstes sollte man prüfen, wie die Pflege aussehen sollte. Das ist natürlich vom Krankheitsbild, dem körperlichen Zustand und den Angehörigen selbst abhängig. Nicht immer ist direkt eine Unterbringung im Pflegeheim erforderlich. Ebenso kann selbstverständlich nicht immer ein Angehöriger die Pflege übernehmen. Hier kann oft der ambulante Pflegedienst, der gegebenenfalls mehrmals täglich nach dem Patienten sieht, erst einmal Abhilfe schaffen. Auch hier sollte man vergleichen, denn die Kosten unterscheiden sich teilweise gravierend.

Prüfen Sie zudem, ob der Pflegedienst auch auf das Krankheitsbild des zu Pflegenden spezialisiert ist. Hilfreich kann ebenfalls die Unterbringung in der Kurzzeitpflege für einige Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt sein. Unterstützung geben hier die Sozialarbeiter des Krankenhauses.

Schwierig wird es, wenn die Pflege so intensiv sein muß – beispielsweise bei schwerer körperlicher Beeinträchtigung oder Demenzpatienten mit Weglauftendenz –, daß man es in der Kombination aus Pflegedienst und Familie physisch oder psychisch nicht mehr schafft. Dann bleibt oft nur noch die Unterbringung im Pflegeheim. Und diese ist das Schreckgespenst der meisten, schlägt ein Heimplatz schließlich schon mal mit 4.500 Euro monatlich zu Buche. Bei maximalen Zuschüssen von unter 2.000 Euro muß der Rest selbst finanziert werden. Hier wird zuerst auf die Rente und das Vermögen des zu Pflegenden zurückgegriffen. Reicht dies zur Finanzierung nicht aus, müssen die Kinder und der Ehepartner für die Lücke aufkommen.

Auch hier sollte man Ruhe bewahren, denn der Partner wird nicht gleich gezwungen, sein selbstgenutztes Haus zu veräußern, wenn es sich um eine angemessene Immobilie handelt. Ebenfalls wird ein Betrag von 700 bis 1.000 Euro nicht angetastet. Bei den Kindern ist dieses sogenannte Schonvermögen noch höher. Hier werden Einkommen unter 1.800 Euro (3.240 Euro bei Verheirateten), die eigene Altersvorsorge sowie Rücklagen für wichtige Anschaffungen, wie ein neues Auto, in der Regel nicht angetastet. Sollte der Fall eintreten, empfiehlt es sich jedoch, einen auf Pflegerecht spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen. Gänzlich von der Unterhaltsverpflichtung befreit sind Enkelkinder.

Kontaktadressen:

 www.vorsorgeregister.de

 www.bmjv.de

 www.familienratgeber.de

Foto: Den Fall der Handlungsunfähigkeit rechtzeitig mit Vertrauenspersonen regeln: Die Vorsorgevollmacht ist der wirksamste Schutz vor Bevormundung, wenn man selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist