© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

„Die Niederlande zuerst“
Parlamentswahl Niederlande: Geert Wilders dominiert die Umfragen, doch eine Regierungsbeteiligung liegt fern
Mina Buts

Nur zwei Dinge stehen für die  Parlamentswahl, die Mitte der nächsten Woche in den Niederlanden stattfindet, fest: Das Ergebnis wird ganz anders ausfallen, als die Meinungsforscher es prognostizieren, und die neue Regierung wird sehr bunt werden.

28 Parteien werden zur Wahl antreten, und da es in den Niederlanden keine Fünfprozenthürde gibt, werden auch kleinere Parteien, oft auch nur mit einem oder zwei Mandaten, in das Parlament einziehen. 

Sozialdemokraten mutieren zur Splitterpartei

Seit über einem Jahr liegt Geert Wilders mit seiner islamkritischen PVV bei allen Meinungsumfragen vorn. Sein Parteiprogramm ist kurz und knackig und läßt sich auf den Nenner „Die Niederlande zuerst“ bringen. Vor allem Wilders’ Forderungen, den Koran zu verbieten, Moscheen zu schließen und die Einwanderung aus islamischen Ländern zu stoppen, haben ihm den Ruf eines „Populisten“ eingetragen – er selbst empfindet dies aber nicht als Schimpfwort. 

Vor zwei Wochen hat Wilders jedoch seinen Wahlkampf gestoppt und nimmt auch nicht an öffentlichen Debatten teil, nachdem bekanntgeworden war, daß einer seiner Leibwächter seine Aufenthaltsorte an Kriminelle weitergegeben hat – Wilders steht seit zehn Jahren unter Polizeischutz. Der Mord an Pim Fortuyn vor fünfzehn Jahren nur zwei Wochen vor der Parlamentswahl steht den Niederländern immer noch vor Augen. 

Daß sich nun ausgerechnet eine Woche vor der Wahl die PVV im Sinkflug befinden soll – laut Meinungsforschungsinsitut de Hond konnte sie im Januar mit 35 Sitzen rechnen, derzeit liegt sie bei 25 –  und sich mit den regierenden Liberalen der VVD (24 Sitze) dann doch ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern werde, nehmen viele Niederländer den Meinungsforschern nicht ab. Zu groß ist dafür auch die Gruppe der noch unentschlossenen Wähler. 

Der amtierende Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) versucht derweil vor allem, als „Sunnyboy“ zu punkten. In seinem Wahlspot lacht er die ganze Zeit, Optimismus, so seine Kernbotschaft, sei das Allheilmittel. Die Niederlande bräuchten aber auch wieder mehr „verrückte Menschen“, so Rutte, die sich unter Einhaltung der Gesetze auslebten. Die von ihm selbst aufgeworfene Frage: „Unser Land ist so wohlhabend, aber warum benehmen sich so viele so armselig?“ lächelt er einfach weg. Liberalismus wird durch Zweckoptimismus ersetzt, für eine Regierungspartei ist das reichlich wenig. 

Die Sozialdemokraten der PvdA, immerhin seit 2012 mit an der Regierung, dürften zur Splitterpartei degradiert werden. Einst die Partei des „kleinen Mannes“, versucht sich Lodewijk Asscher jetzt an Euroskeptizimus und populistisch anmutenden Kurskorrekturen. Das ist wenig überzeugend, drei Viertel der Wähler werden laut Umfragen von der PvDA zu anderen linken Parteien abwandern, deren Auswahl groß ist. 

Die linksliberale D66 beispielsweise, die Einwanderung, Integration und Islam sehr offen gegenübersteht, und Groen Links, die die Einwanderung sogar als Bereicherung begriffen sehen möchte, werden davon profitieren. Auch hier wollen die beiden Spitzenkandidaten, Alexander Pechtold und Jesse Klaver, vor allem den Optimismus im Land stärken.

 Die SP, ursprünglich maoistisch, heute eher grün-alternativ geprägt, wehrt sich gegen Zuwanderung aus osteuropäischen Staaten, hat aber nichts gegen noch mehr maghrebinische und asiatische Einwanderer und liegt knapp hinter den beiden.  

Mit DENK tritt zum ersten Mal auch eine Einwandererpartei ein, die links-multikulturell-türkisch verankert ist. 

Aus den Stimmenverschiebungen werden auch die Christdemokraten der CDA Kapital schlagen. Obwohl ihr Spitzenkandidat Sybrand Buma mit seinem jüngsten Vorstoß, Schulkinder sollten doch morgens stehend ihre Nationalhymne singen und das Königshaus mehr achten, mehr Spott als Anerkennung erntete, so zielt das doch deutlich auf die Stärkung einer niederländischen Identität. 

Neulinge bei den Wahlen sind das „Forum für Demokratie“ (FVD), „Für Niederlande“ (VNL) und „Geenpeil“. Allen dreien ist gemeinsam, daß ihre Kandidaten das EU-kritische Referendum vom vergangenen April initiiert, durchgesetzt und auch gewonnen haben. FVD-Gründer Thierry Baudet, der sich als intellektuelle Alternative zur PVV sieht und den niederländischen „Nexit“ propagiert, kann mit zwei Sitzen im Parlament rechnen, und auch Jan Roos, im vergangenen Jahr als Chef von „Geenstijl“ zweiter Initiator des Bürgerreferendums und jetzt Spitzenkandidat der VNL dürften einen Sitz erringen. 

Für „Geenpeil“, die Initiative der politisch inkorrekten Webseite „Geenstijl“, sieht es hingegen schlecht aus. Zwar darf jedes Mitglied unter dem Motto „Stimme für dich selbst“ gegen Zahlung eines Beitrags in Höhe von 25 Euro am Parteiprogramm mitwirken, doch für diese Art von Stimmenkauf sind die Niederländer nicht zu haben. 

Wie auch das Wahlergebnis aussehen wird, die Regierungsbildung dürfte mindestens genauso spannend werden: Bis zu vierzehn Parteien werden in das 150köpfige Parlament einziehen, die bisherigen Regierungsparteien VVD (de Hond: minus 14 Sitze zur Wahl 2012) und PvdA (minus 28 Sitze) werden weit weniger als die Hälfte der bisherigen Mandate erringen und damit nicht regierungsfähig sein. Da schon im Vorfeld nahezu alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der PVV ausgeschlossen haben, werden sich vier, fünf oder gar mehr Parteien zu einer Koalition zusammenschließen müssen, um dann gegen eine starke Opposition im Parlament anzutreten.