Ihr Einfluß wird immer stärker, ihre Themen sind in aller Munde, sie mischen das politische Establishment in ganz Europa auf. Indem nationale Protesparteien auch unbequeme Themen ansprechen, erleben sie vielfach einen starken Aufschwung. Forderungen nach einer Kursänderung in der verfehlten Zuwanderungspolitik, einer stärkeren Unterstützung der traditionellen Familie, dem Beibehalten von christlichen Werten und der Wunsch nach mehr Sicherheit bestehen von Norwegen bis nach Griechenland.
Ein Jahr der Entscheidungen nicht nur in Deutschland
Die Niederlande und Frankreich sind dabei zwei wichtige Länder, auf die ganz Europa in diesem Wahlfrühjahr blickt. Nur wenige Monate später stehen in Österreich, Ungarn, Italien, Griechenland und Schweden Parlamentswahlen an. In Deutschland darf sich die Alternative für Deutschland (AfD) Hoffnung machen, am 24. September in den Bundestag einzuziehen. Dabei werden die richtungsweisenden Personalentscheidungen und Themenschwerpunkte schon jetzt ausgehandelt – sie könnten Europas Parteienlandschaft in den kommenden Monaten empfindlich verändern. Durch Koalitionen auf europäischer Ebene, wie dem Bündnis „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) von AfD, dem französischen Front National, der österreichischen FPÖ oder der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV), der EKR-Fraktion (Europäische Konservative und Reformer) sowie dem Bündnis EFDD (Europa der Freiheit und der direkten Demokratie), gewinnen ihre Forderungen auch in der Europäischen Union an Gewicht. EU-Skeptiker besetzen über 150 Sitze im Europaparlament.
In vielen Ländern sind rechtskonservative und patriotische Parteien bereits zu einem ernstzunehmenden Koalitionspartner geworden. Sie stehen für den vom enttäuschten Wähler herbeigesehnten Wandel und könnten mit einer vorausschauenden, interne Grabenkämpfe vermeidenden, politischen Ausrichtung das Europa von Morgen bilden.
Großbritannien
Ukip
Vorsitzender: Paul Nuttall
nächste Wahl: 2020
Die 1993 gegründete Partei zeigte sich von Beginn an EU-skeptisch und startete unter dem ehemaligen Parteivorstand Nigel Farage die erfolgreiche „Brexit“-Kampagne. Bei den Wahlen zum Unterhaus konnte die Partei zuletzt keine Sitze für sich verbuchen, wurde aber stärkste Partei bei den Europawahlen 2014. Sie gründete gemeinsam mit der italienischen Movimento 5 Stelle die EU-Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie.
2010: 3,1 %
2014: 12,6 %
Dänemark
Dänische Volkspartei
Vorsitzender: Kristian Thulesen Dahl
nächste Wahl: 2019
Die wertkonservative Politik der DF äußert sich oftmals durch das Motto „Gott, König und Vaterland“, wodurch die Partei mehr als alle anderen Fraktionen mit dänischen Werten verbunden wird. Die Sozialpolitik der 1995 gegründeten Vereinigung ist hingegen sozialdemokratisch ausgerichtet. Die über 18.000 Mitglieder starke Partei ist EU- und zuwanderungskritisch. Als Koalitionspartner legte sie strengere Regeln in Hinblick auf „nichtwestlichen Zuzug“ und den Familiennachzug fest.
2011: 12,3 %
2015: 21,1 %
Niederlande
Partei für die Freiheit
Vorsitzender: Geert Wilders
nächste Wahl: 15. März 2017
Durch interne Personalstreitigkeiten verlor die 2010 an einer Minderheitenregierung beteiligte Freiheitspartei (PVV) im Jahr 2012 fünf Prozentpunkte. Der Parteivorsitzende Geert Wilders organisierte seine Fraktion als erste im niederländischen Parlament nicht als Mitgliederpartei. Damit sollte verhindert werden, daß sie von „den falschen Leuten übernommen“ werden könnte. Die Partei versteht sich selbst als nationalliberal und forderte einen fünfjährigen Einwanderungsstopp für Moslems. Umfragen prophezeien Wilders und der PVV für die anstehende Parlamentswahl einen Zuwachs auf 20 Prozent der Stimmen.
2010: 15,5 %
2012: 10,1 %
Schweiz
Schweizerische Volkspartei
Vorsitzender: Albert Rösti
nächste Wahl: 20. Oktober 2019
Obwohl sie – gemessen an der Mitgliederzahl – nur die drittgrößte Partei der Schweiz ist, bildet die SVP seit 1999 die größte Fraktion in der Bundesversammlung und ist die stärkste Partei im Nationalrat. Ursprünglich galt die Volkspartei als Bauernvereinigung, wandelte sich jedoch hin zu rechtskonservativen Positionen. Sie vertritt den Erhalt der uneingeschränkten Souveränität und setzt sich für eine Verschärfung des Asylrechts ein, was auch innerparteilich immer wieder für Spannungen sorgt.
2011: 26,6 %
2015: 29,4 %
Belgien
Vlaams Belang
Vorsitzender: Tom Van Grieken
nächste Wahl: 2019
Der Vlaams Belang (VB) ist als Regionalpartei im Landesteil Flandern mit dem 30jährigen Tom Van Grieken an der Spitze die drittstärkste Partei. Die Partei ging 2004 aus dem ehemaligen Vlaams Block hervor und setzt sich für ein Abtreibungsverbot ein, fordert ein höheres Kindergeld und ein Umdenken im Rentensystem. Eine Zusammenarbeit mit dem französischsprachigen belgischen Front National war dadurch beeinträchtigt, daß der Front National nicht für eine Spaltung, sondern die Einheit Belgiens eintrat.
2010: 7,7 %
2014: 3,7 %
Italien
Lega Nord
Vorsitzender: Matteo Salvini
nächste Wahl: 23. Mai 2018
Hauptsächliches Wirkungsgebiet der Lega ist der Norden und die Mitte Italiens, wo seit der Gründung 1989 immer wieder die Abspaltung der wohlhabenden nördlichen Regionen gefordert wurde. Sie unterstützt in den jeweiligen Regionen den Erhalt der Kultur, Traditionen und der Dialekte und findet sich unter dem Begriff Föderalismus zusammen. Seit 2015 ist die Partei mit der FPÖ, dem Front National und weiteren Parteien in der europäischen Fraktion ENF.
2008: 8,3 %
2013: 4,1 %
Frankreich
Front National
Vorsitzende: Marine Le Pen
nächste Wahl: 11. Juni 2017
Die Partei sieht sich selbst als Bewahrer der Werte „Identität, Tradition und Souveränität“ und wurde seit deren Gründung im Jahr 1972 stark von der Familie Le Pen beeinflußt. Die Vorsitzende Marine Le Pen fokussiert eine Beschränkung der Einwanderung aus nichteuropäischen Ländern und die Stärkung der nationalen Marktwirtschaft. Außenpolitisch vertritt der FN die Idee eines „Europas der Nationen“ und macht sich für den Austritt aus der Nato stark.
2007: 4,3 %
2012: 13,8 %
Ungarn
Ungarischer Bürgerbund
Vorsitzender: Viktor Orbán
nächste Wahl: 2018
Ursprünglich wurde die Partei 1988 von 37 Intellektuellen als „Bund Junger Demokraten“ gegründet. Der heutige Ministerpräsident und Parteivorsitzende Viktor Orbán tritt neben pro-familiären Haltungen auch für soziale Themen wie ein Gesundheitssystem ohne Zusatzkosten ein. Seit März 2017 ist es illegalen Zuwanderern in der von der Fidesz gestellten Regierung nicht mehr möglich, weiterzureisen. Sie werden in temporären Unterkünften angehalten und müssen einen Antrag auf Asyl stellen oder in Richtung Herkunftsland ausreisen.
2010: 52,7 %
2014: 44,8 %
Griechenland
Unabhängige Griechen
Vorsitzender: Panos Kammenos
nächste Wahl: 2018
Gemeinsam mit der linksgerichteten Syriza-Partei stellt ANEL die griechische Regierung und vertritt dabei eine EU-kritische Position. Neben rechtsextremen „Goldenen Morgenröte“ gilt Kammenos als gemäßigter Konservativer. Die Partei forderte bereits 2012 eine Aufhebung der Immunität von allen an der Staatskrise beteiligten Personen und setzt sich für ein Wiedererstarken der nationalen Politik ein.
2010: 10,6 %
2014: 4,7 %
Österreich
Freiheitliche Partei Österreichs
Vorsitzender: Heinz-Christian Strache
nächste Wahl: September 2018
Das sogenannte „Dritte Lager“ vertritt in Österreich nationale und wirtschaftsliberale Positionen. Die bereits 1950 gegründete FPÖ verzeichnete durch zuwanderungskritische und sicherheitsbetonte Themen in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs an Mitgliedern und Wählern. Im Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 entfiel die Hälfte der Stimmen auf den freiheitlichen Kandidaten Norber Hofer. Eine Regierungsbeteiligung bei der nächsten Nationalratswahl gilt laut Umfragen als wahrscheinlich.
2010: 17,5 %
2014: 20,5 %
Norwegen
Fortschrittspartei
Vorsitzender: Siv Jensen
nächste Wahl: 11. September 2017
Unter der Parteivorsitzenden Siv Jensen ging die Fortschrittspartei (FrP) 2013 mit den Konservativen eine Koalition ein, sie stellen eine Minderheitsregierung in Norwegen. Die 1973 gegründete Partei verfolgt eine liberale Wirtschaftspolitik und eine konservative Wertepolitik. Sie setzt sich für eine Verschärfung der Zuwanderungspolitik ein und bekennt sich zur „christlich-abendländischen Tradition“.
2009: 22,9 %
2013: 16,3%
Schweden
Schwedendemokraten
Vorsitzender: Jimmie Akesson
nächste Wahl: 9. September 2018
Die Partei unter dem Vorsitz von Jimmie Akesson entstand aus der Bürgerrechtsbewegung „Bewahrt Schweden schwedisch“. Die SD betrachten die Integrationspolitik im Land als gescheitert, fordert den Erhalt der schwedischen Kultur und tritt gegen eine Islamisierung ein. Aufgrund ihres Parteiprogrammes werden Werbeanzeigen in der größten Zeitung des Landes, dem Expressen, weiterhin boykottiert.
2010: 5,7 %
2014: 12,9%
Finnland
Die Finnen
Vorsitzender: Timo Soini
nächste Wahl: 2019
Um eine Alternative zu den existierenden Parteien zu bilden, gründeten ehemalige Mitglieder einer populistischen Vereinigung 1995 die Wahren Finnen (PM). Ein starker Stimmenzuwachs ist vor allem dem rhetorischen Talent und seit 1997 der Partei Vorstehenden Timo Soini zu verdanken, der sich gegen die europäische Zuwanderungspolitik ausspricht. Die Partei setzt sich immer wieder für christlich-konservative Werte ein und lehnt eine gleichgeschlechtliche Ehe ab.
2011: 19,1 %
2015: 17,7 %
Polen
Recht und Gerechtigkeit
Vorsitzender: Jaroslaw Kaczynski
nächste Wahl: 2019
Die 2011 von den Zwillingsbrüdern Kaczynski gegründete nationalkonservative Partei legt ihren Fokus vermehrt auf die Bekämpfung von Kriminalität und Korruption. Sie richtet sich gegen eine postkommunistische Haltung und regiert das Land seit 2015 mit einer absoluten Mehrheit. Für Ärzte, die eine Abtreibung ohne wichtigen Grund, wie etwa Lebensgefahr für die Mutter, durchführen, legte die Partei eine mehrjährige Haftstrafe fest. Zum Zweck der Landesverteidigung setzt sie auch auf paramilitärische Einheiten, die mit der Armee kooperieren. Die PiS tritt für die Souveränität Polens gegenüber der EU ein und schloß sich bereits kurz nach der Gründung EU-kritischen Bündnissen an.
2011: 29,9 %
2015: 37,6 %
Slowakei
Slowakische Nationalpartei
Vorsitzender: Andrej Danko
nächste Wahl: 2020
Die 1990 nach der Wende gegründete nationalkonservative SNS vertritt christliche-demokratische Ansichten und war bereits mehrmals ein Regierungspartner. Die Partei lehnt eine Minderheitenpolitik ab und versteht die derzeitige Slowakische Republik als Nationalstaat der ethischen Slowaken. Sie kritisiert die Einmischungen von Amerika und lehnte eine Mitgliedschaft in der Nato prinzipiell ab. Das Christentum sieht die SNS als Säule der europäischen Zivilisation und lehnt eine muslimischen Einwanderung ab. SNS-Chef Andrej Danko und der österreichische FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache pflegen eine enge politische Freundschaft.
2012: 4,5 %
2015: 8,6 %