© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Die Industrie- und Handelskammern stehen vor Umbruch
Zwangsbeiträge ade
Ronald Gläser

Ein Blick auf die Aktivitäten der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK): Unternehmer helfen Flüchtlingen. Quoten-Frauen ins Management. Die Green Economy ist spitze. Kein Wunder – schließlich engagiert man sich seit anderthalb Jahrzehnten für den „Klimaschutz“. Wer wird da Fragen zu unnötigen Auflagen für Bauherren, zu absurden Bürokratiemonstern wie dem Emissionshandel oder zur Sinnhaftigkeit von Umweltzonen stellen? Mit diesen Dingen dürfen sich Ingenieure, Buchhalter oder Lieferanten vor Ort herumplagen, während IHK-Apparatschiks im Elfenbeinturm dem grünen Zeitgeist frönen.

Nein, die IHKs vertreten nicht die Wirtschaft. Allenfalls sich selbst. Jeder Unternehmer wird per Gesetz zwangsweise Mitglied. Ob er will oder nicht. Ohne Beitragserklärung. Es ist eine GEZ für Firmen, vor der es fast kein Entrinnen gibt. Kritiker beklagen seit langem hohe Beiträge und ebenso hohe Verschwendung.

Doch jetzt macht sich Hoffnung breit, daß es einen Ausweg aus dem Kammernzwang gibt. In Hamburg konnten Kammer-Gegner vor einem Monat bei Wahlen einen Erfolg verbuchen, der sich sehen lassen kann: Sie errangen bei gestiegener Wahlbeteiligung 55 von 58 Mandaten. Der Anführer der Initiative „Die Kammer sind wir“, Tobias Bergmann, bekräftigte nach der Wahl: „Wir wollen die Zwangsbeiträge abschaffen.“ Die IHK solle mit freiwilligen Beiträgen weitergeführt werden.

Als nächstes könnte Berlin fallen. In der deutschen Hauptstadt wird im Mai neu gewählt. Sollten sich auch hier Kammer-Gegner, die sich unter dem Motto „Mitmach-IHK“ versammelt haben, durchsetzen, so würde das diese Bewegung deutschlandweit weiter beflügeln. Es zeigt sich: Wahlfreiheit ist machbar.

Die Kammern haben sich von denen, die sie zu vertreten vorgeben, entfernt. Das hat auch mit der niedrigen Beteiligung bei den IHK-Wahlen zu tun. Es drängt sich die Parallele zu Studentenparlamenten auf, die meist mit linksextremen Mehrheiten ausgestattet sind. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß junge Leute eher links sind. (Vernünftig werden sie erst später, wenn sie Kinder bekommen und Eigentum erworben haben.) Sondern auch damit, daß nur ein Bruchteil an diesen Wahlen teilnimmt. Würden alle normalen Studenten wählen gehen, so würden die Parlamente nicht von Antifa & Co. kontrolliert.

Neben den Wahlerfolgen von Kammer-Gegnern hängt ein dieses Jahr zu erwartendes Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Kammerzwang wie ein Damoklesschwert über dem Kollektivorgan. Ein Sieg der Kammer-Gegner vor Gericht ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber immerhin möglich. Das Verwaltungsgericht Stuttgart soll daher Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen bereits mit Blick auf das Urteil vertagt haben. So unsicher wie heute war der Bestand des etablierten Kammersystems jedenfalls selten.