© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Tesla steht am Scheideweg
Autoindustrie: Das Auslaufen von Subventionen und die Trump-Regierung gefährden den E-Mobil-Boom
Elliot Neaman

Seitdem sich der Tesla Roadster 2008 auf den Weg machte, hat die im kalifornischen Palo Alto ansässige Elektroautofirma weltweit über 186.000 Pkw verkauft – mehr als Porsche von seiner zeitgleich vorgestellten Panamera-Limousine absetzen konnte. Teslas Verkaufsschlager, das „Model S“, gleicht preislich und äußerlich dem ebenfalls fünf Meter langen und zwei Tonnen schweren Panamera. Doch statt einem Sechs- oder Achtzylinder-Motor sind ein oder zwei Drehstrom-Asynchronmotoren für den Antrieb zuständig, die das „Model S“ zum am schnellsten beschleunigenden Serienauto der Welt machen.

Doch 70 Prozent der Porsche-Jahresproduktion von 240.000 Autos entfallen auf die zwei SUV Macan und Cayenne. Teslas vergleichbares „Model X“ kommt nur auf ein Siebentel dieser Stückzahlen. Das neue „Model 3“, ein Viertürer im BMW-3er-Format, soll im Sommer in Produktion gehen und mit einem Nettopreis ab 35.000 Dollar weniger als die Hälfte des „S“ kosten. Damit soll der Übergang von einem kleinen Nischenanbieter auf dem E-Markt hin zu einem Großproduzenten vollzogen werden.

Tesla verkaufte 2016 weltweit etwa 76.000 Autos. Doch während Porsche 2016 bei 22,3 Milliarden Euro Umsatz ein operatives Ergebnis von 3,9 Milliarden Euro einfuhr, waren die jüngsten Tesla-Quartalsergebnisse enttäuschend. Obwohl die Umsätze über den Erwartungen lagen, verhielt es sich ebenso mit dem Verlust pro Aktie, der von 0,43 auf 0,63 anstieg – sprich: Tesla verbrennt mit seiner Autoproduktion weiter Geld. Goldman Sachs empfahl Tesla-Aktien zum Verkauf. Porsche schrieb vor 25 Jahren auch dreistellige Millionenverluste. Die Wende gelang durch neue Modelle und den Einstig in den SUV-Markt 2002.

Anhaltende Verluste

Ein Großteil des Geldes, das Tesla im vorletzten Quartal verdiente, stammte aus dem Verkauf von „ZEV Credit Points“. Dieses Umweltprogramm wird von Kalifornien betrieben. Es hilft Autoherstellern, in Kalifornien und neun weiteren Staaten emissionsfreie Elektroautos (Zero Emission Vehicle/ZEV) verkaufen. Denn wer Autos mit Benzin- oder Dieselmotor verkauft, benötigt als Öko-Ausgleich Credit Points. Die bekommt man aber nur mit ZEV.

Um drastische Strafen zu vermeiden, müssen GM, Chrysler, Honda, Mercedes & Co. ZEV Credit Points bei Herstellern wie Tesla zukaufen. Tesla als hundertprozentiger E-Auto-Anbieter überschreitet ja die Öko-Quote um ein Vielfaches. Als ZEV-Fahrzeuge gelten nicht nur Batteriefahrzeuge (BEV) wie von Tesla, der BMW i3 oder der Nissan Leaf, sondern auch Plug-in-Hybride (PHEV) – Benzinautos mit zusätzlichem E-Antrieb, deren Akku für Kurzstrecken an der Steckdose aufgeladen werden kann – wie der Toyota Prius Prime oder der Ford Fusion Energi. Für PHEV, die aber nur bedingt „emissionsfrei“ sind, gibt es allerdings weniger „ZEV Credit Points“. Das Programm soll Autoherstellern Anreize geben, Forschung und Entwicklungsarbeit an Autos zu betreiben, die weniger und schließlich gar keine CO2-Emissionen mehr erzeugen.

Im dritten Quartal 2016 verbuchte Tesla 139 Millionen Dollar in ZEV-Krediten. Doch der ZEV-Umsatz wird voraussichtlich sinken und in der Zukunft immer weniger werden, weil die Verkäufe des „Model 3“ das Ausland ansteuern und andere Autohersteller, insbesondere Nissan und GM, die Produktion ihrer konkurrierenden Elektrofahrzeuge, den Leaf und den Chevrolet Bolt EV, wahrscheinlich hochfahren.

Und mit Donald Trump ist nun ein zusätzlicher Risikofaktor für Tesla hinzugekommen. Das Weiße Haus kündigte am 15. März an, die Kraftstoffeffizienzstandards zu überprüfen, was bedeutet, daß der Klimawandel-Skeptiker Scott Pruitt als Leiter der Umweltbehörde EPA ein mißtrauisches Auge auf die Elektroautoindustrie werfen wird.

Derzeit gewährt die US-Regierung beim Kauf eines E-Autos noch 7.500 Dollar Gutschrift auf die Einkommenssteuer. Hinzu kommen Incentives in 16 Bundesstaaten – von 2.500 Dollar in Kalifornien bis zu 6.000 Dollar in Colorado. Ein Beamter des Weißen Hauses wies kürzlich auf die US-Vorliebe für große Fahrzeuge (Pick-ups und SUV) und auf stagnierende Umsätze bei E-Autos hin – womit er fast wörtlich die von der Industrie 2016 vorgebrachten Argumente nachplapperte. Das paßt allerdings auch zu der statistischen Erkenntnis aus Google-Street-View-Daten, wonach in Städten mit überwiegend Limousinen auf den Straßen demokratisch, bei mehr Pick-ups die Republikaner gewählt werden.

Ist Elon Musk der wahre Steve-Jobs-Nachfolger?

Auch Trumps Steuerpläne und Einfuhrzölle, die darauf abzielen, US-Firmen zu bestrafen, die ihre Produkte im Ausland herstellen und sie dann wieder in den USA verkaufen, könnten Tesla schaden. Einerseits durch Gegen-Zölle oder andere Schranken für US-Produkte. Andererseits benötigen viele amerikanische Unternehmen importierte Materialien für ihre Produkte. Tesla hat einen Langzeitvertrag über in Mexiko abgebautes Lithium, einen Rohstoff für Autobatterien, die wiederum in den Vereinigten Staaten produziert werden.

Tesla-Autos haben im Gegensatz zum BMW i3 oder dem Nissan Leaf eine beeindruckende Reichweite von realistisch über 320 Kilometer. Doch Tesla muß in den nächsten Jahren hohe Investitionen zwischen zwei und acht Milliarden Dollar für ein Netzwerk von Ladestationen jenseits der Metropolen und Autobahnen tätigen, um gegenüber konventionellen Fahrzeugen wettbewerbsfähig zu werden. Diese Aufwendungen werden auf Teslas Liquidität erheblichen Druck ausüben. Die Trump-Administration will hingegen eine Billion für die veraltete (Verkehrs-)Infrastruktur ausgeben. Es ist fraglich, ob dabei erneut viel Geld in Richtung Tesla fließen wird.

Schließlich ist da noch das Verhältnis zwischen Tesla-Chef Elon Musk und dem US-Präsidenten. Musk wird medial scharf wegen seiner Entscheidung kritisiert, in Trumps Arbeitgeberrat zu verbleiben. Als Reaktion auf die Kritik antwortete er bei Twitter: Wie könne es gut sein, wenn Trump nur von „xtremisten“ beraten werde? Doch einige Beobachter warnen davor, daß dadurch die Marke Tesla bei potentiellen Kunden ernsthaft beschädigt werden könnte. Wie Porsche lebt Tesla von „Besserverdienenden“.

Und die eher liberal eingestellten unter ihnen sind schnell dabei, Unternehmen zu bestrafen, die sie nicht mögen, indem sie ihnen nichts abkaufen. Wall-Street-Analysten werden bereits nervös über die hohe in den Tesla-Aktienkurs eingebaute Bewertung: das Kurs-Gewinn-Verhältnis wird für 2018 auf 94 geschätzt – Apple hat 12, BMW etwa 8). Eine Welle von Stornierungen des „Model S“ aufgrund der erwähnten Beziehung zwischen Musk und Trump macht Investoren nun sogar noch nervöser.

Elon Musk ist ein technischer Wegbereiter, vergleichbar mit Steve Jobs, ein großer Marketingfachmann, der es schafft, Dinge herzustellen, in die sich Verbraucher verlieben. Doch bei seiner vielleicht utopischen Vision einer emissionsfreien Zukunft geht es auch darum, ein Händchen für einen Aufprall des Elektroautos auf den wirtschaftlichen Neonationalismus der Trump-Welt zu haben, die von altmodischen fossilen Brennstoffen angetrieben wird.






Prof. Dr. Elliot Neamann lehrt europäische Geschichte an der University of San Francisco.