© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Geburtshelfer der Moderne
Potsdam: Das Museum Barberini zeigt eine Impressionismus-Ausstellung
Fabian Schmidt-Ahmad

Der Palast Barberini feiert Auferstehung. Das in den letzten Kriegswochen schwer beschädigte und später abgeräumte, nach seinem Vorbild in Rom benannte Gebäude in Potsdam wurde von dem Mäzen Hasso Plattner rekonstruiert. Nun bietet es als Museum den repräsentativen Rahmen einer der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen im deutschsprachigen Raum. 

Ergänzt um Leihgaben aus Paris, St. Petersburg, Jerusalem und Washington widmet sich das Museum Barberini in seiner Eröffnungsschau schwerpunktmäßig der Übergangsphase zur Moderne. Als solche wird hier der Impressionismus faßlich, der mit zahlreichen hochwertigen Arbeiten vertreten ist. Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley, Gustave Caillebotte und viele andere klangvolle Namen verbinden sich zu einem prächtigen Gesamteindruck. Alleine Claude Monet ist in der Schau mit 41 Gemälden vertreten.

Der Impressionismus als Grenzübergang: etwas neigt sich dem Ende zu, und im Grau des Niemandslandes beginnt sich Neues zu zeigen. Die Ausstellungsgestalter gehen konsequent nach Sujet vor. Ein Raum widmet sich der Darstellung von Strandgeschehen, ein anderer von Schneelandschaften, ein weiterer von Pappelbildern und so weiter. So gelingt in der Abfolge eine verdichtete Atmosphäre, die dem Betrachter ein Nacherleben jenes Übergangs ermöglicht.

Sisleys „Wiese von Veneux-Nadon“, unmittelbar neben Monets „Pappeln in Giverny“, zeigt zwar die unterschiedliche Bildauffassung der Maler, doch hinter der individuellen Auseinandersetzung mit dem Thema ist das Gemeinsame leicht zu erkennen: Unsere gegenständliche Welt, sie beginnt hier zu verschwimmen, wird zur bloßen Staffage von etwas anderem. Pappeln, das Gras, der Himmel selbst sind dessen Material geworden. Wir befinden uns in einem Übergang.

Die sinnliche Erfahrbarkeit des Raumes, wie sie von der Renaissance mit geometrischer Präzision erfaßt wurde, sie bildet sich wieder zurück; ebenso das Spiel mit Hell und Dunkel, wie es die Barockmalerei meisterhaft inszenierte. Körperkonturen schwinden im Pinselstrich, wirken in ihrer Schärfe gemildert und in Farbigkeit aufgelöst. Der Hintergrund faltet sich nach oben, wird flächiger. Oft ist es nur das Dargestellte – ein Picknick, eine Jagdgesellschaft –, das dem Betrachter überhaupt noch das Gefühl von Räumlichkeit vermittelt. 

Man ahnt, hier ist etwas zu Ende gekommen. Denn Klassizismus, Historismus, auch sie waren letztlich eine weitere Fortbildung des Auges am rein Sinnlichen. Ihre lineare Fortführung war in einem gewissen Sinne die Daguerreotypie, bei der allmählich die photochemische Maschine den menschlichen Blick auf das Sinnliche ersetzte. Doch hier, im Impressionismus, der zugleich Höhe- wie Endpunkt jener ästhetischen Erfassung der Welt ist, zeigt sich zugleich etwas Neues, etwas Anderes. Licht und Farben beginnen die Herrschaft zu übernehmen.

Es ist die sinnliche Lust des Malers, das Spiel des Lichtes und der Farben nachzuerleben, die sich in jedem Bild ausdrückt. In der Natur selbst will er sich empfänglich machen, ihr Werkzeug will er werden; sie soll ihm den Pinsel führen, während er sich der Freude seiner Impressionen hingibt. Es ist kein Einbruch des Schönen und Erhabenen, keine Dramatik der Natur, in deren aufwühlender Kraft er sich selbst widergespiegelt findet und so sein Interesse erweckt. Belangloser Alltag, ein Kahn am Flußufer, ein Heuschober, sind ihm Anlaß genug zur Verherrlichung.

Die Natur soll sein Auge führen. Ganz aus Farbe gewirkt bildet sie den Schatten, bildet sie den Schnee, den Himmel. Sogar die Nacht wird in Monets „Hafen von Le Havre“ zum Farbenmeer. Den Rocksaum ihrer Sinnlichkeit umklammert, folgt ihr der verzückte Maler. Doch wohin führt sie ihn? Was bereitet sich im Impressionismus vor? Die Antwort findet sich vielleicht einige Räume weiter. Eben das Bild eines Heuschobers war es, das Wassiliy Kandinsky tief erschüttern sollte. Nicht durch das, was Monet hier zeigte, sondern was er eben nicht zeigte.

„Daß das ein Heuhaufen war, belehrte mich der Katalog, erkennen konnte ich nicht“, erinnert sich Kandinsky über die Begegnung, die ihn zur Malerei führen sollte. Doch nicht das Äußere interessierte hier, sondern was durch die Äußerlichkeit sich ausdrücken will. „Ich empfand dumpf, daß der Gegenstand fehlt“, wird der Maler in der Ausstellung zitiert. Licht und Farbe entwickeln ihre eigene Gesetzmäßigkeit. „Die Malerei bekam eine märchenhafte Kraft und Pracht.“  

Zunächst selbst dem Impressionismus verbunden, entwickelte Kandinsky eine eigene Bildauffassung, die ihn zum Pionier der abstrakten Kunst machen sollte. Wichtiger Schritt auf diesem Weg ist das ausgestellte Gemälde „Weißer Klang“, das er nach einem Vortrag Rudolf Steiners über die Farbenlehre Johann Wolfgang von Goethes anfertigte. Versprach doch Goethe mit seiner Lehre, den höheren, übersinnlichen Gehalt der Natur durch ihre Sinnlichkeit erfassen zu können. Der Impressionismus wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Geburtshelfer der Moderne.

Die Ausstellung „Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“ ist bis zum 28. Mai im Potsdamer Museum Barberini, Alter Markt, Humboldtstraße 5–6 täglich außer dienstags von 11 bis 19 Uhr zu sehen. Telefon: 03 31 / 23 60 14-499

 www.museum-barberini.com