© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Rechts antäuschen, links spielen
Mit ihrer Serie „Jung und konservativ“ gaukelt die „Zeit“ eine offene Debatte vor
Ronald Berthold

Die Wochenzeitung Die Zeit gibt sich ausgewogen. Nach der Artikelserie „Jung und links“ im vergangenen Jahr, widmet sich das Blatt nun dem Schwerpunkt „Jung und konservativ“. Offiziell kann jeder Heranwachsende einen Text einreichen, wie er den Begriff definiert – bisher veröffentlicht wurden auffallend viele Artikel von oder über Nachwuchspolitiker. Dabei kommt es zu skurrilen Aussagen. Eine dieser „Konservativen“ ist für die „Ehe für alle“ und für die Haschisch-Legalisierung. Der nächste sorgt sich, daß die EU nicht weiter zusammenwächst, und der dritte ist ein AfD-Aussteiger, der heute am liebsten Veranstaltungen seiner ehemaligen Partei verhindern würde und ein Fan von Merkels Flüchtlingspolitik ist.

Als Lieblingsgegner wurde die AfD auserkoren

Die Artikelserie beginnt mit einem Interview, in dem der Wittenberger Hochschullehrer Jens Hacke die Linie vorgibt, was nicht konservativ ist: „Die neuen Rechten berufen sich auf irgend etwas, das es mal gegeben haben soll, und wollen das wiederherstellen: die Einheit der Nation oder eine Art hierarchisch geordnete Gesellschaft. Was da nicht reinpaßt, wird beseitigt. Und dann nennen sie das konservativ.“

Wer so eingrenzt, wird auf spannende Positionen nicht stoßen. Und so kommt es dann auch. Diana Kinnert gilt laut Zeit als Nachwuchsstar der CDU. „Wirtschaftlich sieht sie sich oft bei der FDP, gesellschaftspolitisch bei den Grünen“, stellt die Zeitung fest. Um dann empört hinterherzuschieben: „Für die sehr Rechten in der CDU, die kurz vor der AfD, sagt sie, sei sie gar keine richtige Konservative.“ Was an der 25jährigen konservativ sein soll, erfährt der Leser indes nicht. Eigentlich müßte die Frage lauten: Was hat diese Dame in einer solchen Artikelserie verloren? Die Zeit stellt sie anders: „Warum macht sie es sich nicht leichter und geht zu den Grünen, wo alle ihrer Meinung sind?“ Kinnerts Antwort: Dann könnte sie „nicht bei den großen gesellschaftlichen Debatten mitmachen“.

Auch Julia Grote, Pressesprecherin der JU Oberbayern, betont erst einmal, wie hip sie eigentlich sei. Sie liebte lange Partys, war früher Anarcho und wollte statt Marktwirtschaft eine Tauschgesellschaft. Heute glaube die 27jährige „an einen starken Staat, der seine Bürger schützt und sie auffängt, wenn sie in Not geraten“. Der Staat solle Chancengleichheit bieten, „natürlich auch für Zugewanderte!“ Konservative Eckdaten liefert sie auch, um das Thema nicht völlig zu verfehlen: „Eine Patchwork-Familie ist nicht mein Lebensziel.“ Und: „Ich bin konservativ, weil ich Ordnung im Leben will; ich bin konservativ, weil mir Tradition wichtig ist; ich bin konservativ, weil ich jedem Hype skeptisch gegenüberstehe.“ Um es vorwegzunehmen, das sind die präzisesten Antworten auf die Frage, was einen konservativen Standpunkt ausmache.

Offenbar hat sich Die Zeit vor allem in der Union umgehört, um Personen für ihr „Jung und konservativ“ zu finden. Ein weiteres Beispiel ist Konrad Körner, Vize-Chef der JU Mittelfranken. Er erklärt, „die Ordnung, die unsere Welt in den vergangenen 70 Jahren prägte“, drohe zu verblassen. Und: „Zum ersten Mal sind wahre Rechtspopulisten auf dem Vormarsch, zum ersten Mal stellt ein amerikanischer Präsident den Westen als Ordnungssystem in Frage, und zum ersten Mal wächst Europa eher auseinander, als daß es weiter zusammenwächst.“ Wäre es vielleicht besser gewesen, Währungsvielfalt und weniger Uniformität zu bewahren, um das zu verhindern? Kein Satz darüber. 

Zwar betont nicht nur Hacke, konservativ zu sein bedeute, etwas bewahren zu wollen. Doch die aktuelle Kernfrage, ob es konservativ ist, Deutschland so zu bewahren, wie es vor der Flüchtlingskrise war, berührt keiner der Texte. 

Dennoch gibt man auch einem AfDler Raum – einem ehemaligen. Und der darf nach neun Monaten Mitgliedschaft abrechnen. Konstantin Steinitz war vorher schon Mitglied in SPD und FDP, heute ist der 27jährige bei der CDU. Vorher habe er noch die JA Thüringen mit aufgebaut und deren Satzung geschrieben.

Steinitz berichtet, wie er Alexander Gauland zu einem Vortrag einlud. Die Veranstaltung wurde von Linken „gesprengt, so daß Gauland kein Wort mehr sagen konnte“. Heute behauptet er: „Wenn ich gewußt hätte, in welche Richtung sich die Partei entwickelt, hätte ich bei dem Protest vermutlich auf der anderen Seite gestanden.“ Er sei „für den Moschee-Bau“, und der „Sommer der Willkommenskultur“ habe ihn begeistert. Er habe es „großartig“ gefunden, „was Angela Merkel in diesem Sommer in der Flüchtlingspolitik getan hat“. 

In Der Zeit schreibe er jetzt vor allem deshalb, um „eine Art Wiedergutmachung für die Freunde und Bekannte“ zu leisten, „denen ich die AfD als echte Alternative verkauft habe“. Die Rubrik „Jung und konservativ“ liest sich daher manchmal wie eine Selbsttherapie und wie ein Bekenntnis zum Mainstream. Doch ist der konservativ?