© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Frisch gepresst

Kaltzeit. Den Ursachen der Kleinen Eiszeit sind die Wissenschaftler seit geraumer Zeit auf der Spur. Fraglich ist nur, ob die weltweite Klimaveränderung hauptsächlich auf starke vulkanische Phänomene in den Tropen zurückgeht, die das Weltklima – ähnlich dem „Jahr ohne Sommer“ 1816, als die Vulkan-asche des indonesischen Tambora die Atmosphäre verdunkelte – nach 1350 abkühlten. Astronomen wie Gustav Spörer verorteten bereits im 19. Jahrhundert die Ursachen ins Extraterristische, indem sie die Kaltzeiten mit verminderter solarer Aktivität in Verbindung brachten. Auf jeden Fall litt der den Unbilden des Wetters weitgehend schutzlos ausgelieferte Mensch des Spätmittelalters an den Klimaphänomenen. Die einhergehenden gesellschaftlichen und demographischen Auswirkunge waren in Deutschland nicht zuletzt viele Wüstungen in den Mittelgebirgsregionen oder führten zum Versiegen der Ostkolonisation. Die zweite Hochphase der Kleinen Eiszeit zwischen 1570 und 1700 stellt nun der Historiker Philipp Blom vor. Seine sozialgeschichtlichen Essays richten den Fokus auf gesellschaftspolitische, wirtschaftliche oder auch militärhistorische Phänomene, die in der Summe einen anregenden Epochenspiegel ergeben. (bä)
Philipp Blom: Die Welt aus den Angeln. Eine Geschichte der Kleinen Eiszeit von 1570 bis 1700. Hanser Verlag, München 2017, gebunden, 302 Seiten, Abbildungen, 24 Euro




Epochenjahr. Martin Luther leitet 1517 mit seinen 95 Thesen die Reformation ein, die die Welt verändern wird. Doch wie sah diese Welt jenseits von Wittenberg in Europa und auf den anderen Kontinenten aus? Der Doyen der Geschichtsschreibung der Frühen Neuzeit, der Berliner Emeritus Heinz Schilling, hatte vorfristig zum Reformationsjubiläum, bereits vor drei Jahren, den gegenwärtigen Biographien-Reigen über den „Rebellen“ Martin Luther eröffnet. Nun führt er den Leser auf eine Weltreise und beschreibt die Reformationszeit als eine Epoche des allgemeinen Umbruchs, der sich nicht nur in deutschen Landen, sondern auch in China, der arabischen Welt und Südamerika ankündigte – weltlich wie religiös. Das Osmanische Reich samt Islam expandiert, die Azteken sehen in den ankommenden Spaniern kosmische Zeichen und das selbstbewußte „Reich der Mitte“ denkt noch nicht im entferntesten daran, das Abendland als Nabel der Welt zu betrachten. Machtkonstellationen, Wissenschaft und Ökonomie erfahren Erneuerungen. Fundiert, lebendig sowie mit zahlreichen Zitaten und Anekdoten zeichnet Schilling ein Gesamtbild des Zeitalters der Reformation. (gb)
Heinz Schilling: 1517. Weltgeschichte eines Jahres. Verlag C. H. Beck, München 2017, gebunden, 364 Seiten, Abbildungen, 19,99 Euro




Zarenmord. Bereits 2009 widmete sich die Slawistin Elisabeth Heresch den Abläufen und der Vorgeschichte des Mordes an Zar Nikolaus II. und seiner Familie durch ein bolschewistisches Mordkommando am 17. Juli 1918 bei Jekaterinburg. Im Stile einer kriminalistischen Aufarbeitung spürte sie dem Schicksal der Leichname (die DNS-Entschlüsselung der sterblichen Überreste der letzten beiden Zarenkinder erfolgte erst 2008) und auch dem verschwundenen Kronschatz der Romanows hinterher. Rechtzeitig vor dem hundertsten Jahrestag liegt nun eine Neuauflage ihrer historischen Ermittlungen vor. (bä)
Elisabeth Heresch: Zarenmord. Kriminalfall Jekaterinburg 1918 und die verschwundenen Juwelen der Romanows.  Herbig Verlag, München 2017, gebunden, 255 Seiten, 9,99 Euro