© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Reichtum hat einen Schlüssel
Der Publizist Rainer Zitelmann entdeckt in seiner Studie über die Psychologie von Milliardären deren ausgeprägte Vorliebe für Freiheit und Unabhängigkeit
Erich Weede

Rainer Zitelmann ist promovierter Historiker und Soziologe, ehemaliger Journalist und seit Jahren erfolgreicher Unternehmer in der Immobilienwirtschaft. Obwohl die vorliegende „Psychologie der Superreichen“ auch eine Dissertation ist, merkt man dem Buch an, daß hier kein Anfänger sein erstes größeres Werk vorlegt, sondern ein bewährter Autor.
Unter Superreichen versteht der Autor Menschen, deren Vermögen die Zehn-Milliarden-Grenze überschreitet. Die unterscheiden sich erheblich von den einfachen Millionären, die man in vielen besseren Wohngegenden zum Nachbarn haben kann. Die Superreichen sind in dem Sinne eine Elite, daß sie einen harten Selektionsprozeß auf dem Markt erfolgreich hinter sich gebracht haben. Erben sind nicht Gegenstand von Zitelmanns Analysen, es sei denn sie haben aus einem kleinen Erbe oder Unternehmen etwas Großes gemacht.
Das Buch besteht aus 21 Kapiteln oder zwei Teilen und zwei Anhängen mit einem Leitfaden für das Interview und einem Test, den die Befragten absolviert haben. Der erste Teil ist theoretischer Natur, der zweite bespricht die empirischen Befunde aus den Interviews mit den 45 Mehrfach-Milliardären. Millionär werden kann man auch als angestellter Manager. Wer superreich werden will, muß schon selbständig sein, ein Unternehmen führen und investieren.
Wie die großenteils angestellte Wirtschaftselite stammen die meisten Superreichen aus der Mittelschicht und nicht aus der Arbeiterschaft. Bei den Superreichen fällt aber auf, daß Selbständigkeit der Eltern auffällig oft gegeben war, einschließlich selbständiger, aber bescheidener Existenzen. Im Gegensatz zu den Spitzenmanagern spielt bei den Superreichen die Schul- und Universitätsausbildung keine entscheidende Rolle und der sogenannte Habitus, der Großbürgerkindern die Chance auf Führungspositionen vermittelt, schon gar nicht.
Erstaunlicherweise waren viele Superreiche in ihrer Jugend im sportlichen Wettbewerb erfolgreich. Andere haben schon früh ihre Verkaufstalente entwickelt und als Studenten nebenher in der Größenordnung ihrer Professoren verdient – natürlich nicht mit Kellnern oder Taxifahren. Die dominanten, von den Superreichen genannten Motive waren Freiheit und Unabhängigkeit. Unter den Persönlichkeitsmerkmalen fallen auf: wenig Neurotizismus, Introversion, Konformismus, viel Optimismus, Selbstvertrauen (eingebettet in Ausdauer, Fleiß und Disziplin), Risikobereitschaft.
Die Konfliktbereitschaft dominiert oft die Verträglichkeit, weshalb manche Superreiche in der Jugend eher rebellisch waren, weshalb manche sich die Unterordnung unter Vorgesetzte nur schwer vorstellen können. Rückschläge werden eher als Ansporn und Herausforderung, nicht aber als Anlaß für Schuldzuweisung an andere, Rechtfertigung für Sichhängenlassen oder Aufgeben aufgefaßt.  
Zitelmann weiß, daß seine Studie etliche methodologische Probleme aufweist. Das wichtigste an seiner Methode ist, daß die abhängige Variable Vermögensakkumulation die Stichprobe definiert. Wenn man Zusammenhänge findet, dann sind immer mehrere Interpretationen möglich. Man kann superreich werden, weil man Selbstvertrauen hat, zum Risiko bereit und optimistisch ist. Man kann aber auch die genannten Eigenschaften erwerben, weil man superreich geworden ist.
Dagegen, daß nur diese Rückwirkungen die Korrelation allein erklären, spricht allerdings die allgemein beobachtete Stabilität dieser Persönlichkeitsmerkmale. Ein anderes wichtiges methodologisches Problem ist die soziale Wünschbarkeit. Geldgier ist in unserer Gesellschaft kein allgemein akzeptierter Wert. Wie soll man unter diesen Bedingungen Aussagen bewerten, Geld sei nicht die entscheidende Motivation? Sein methodologisches Problembewußtsein hat Zitelmann aber nicht von der Arbeit abgeschreckt.
Der interessanteste Punkt von Zitelmanns Analyse ist sein mehrfacher Verweis auf implizites Wissen. Dabei beherrscht man zwar bestimmte Problemlösungen oder auch Regeln, kann diese aber nicht explizit machen oder erklären. Wenn erfolgreiche Unternehmer oder Investoren auf Intuition oder Bauchgefühl verweisen, dann dürfte bei den Erfolgreichen derartiges implizites Wissen dahinterstecken, oft durch Erfahrung verfestigt. Der Markt im Gegensatz zu formalen Bildungsinstitutionen oder bürokratisch organisierten Großbetrieben bietet die Möglichkeit, implizites Wissen zu erwerben und damit sehr reich zu werden. Das implizite und verborgene Wissen könnte sogar bedeutsamer als das explizite Wissen sein. Hier ergänzt Zitelmann klassische hayekianische Argumente gegen Planwirtschaft und Regulierung. Das Buch ist unbedingt empfehlenswert. Es hat Niveau. Es liest sich gut. Es regt zum Nachdenken an. Wegen seiner Interdisziplinarität bietet es auch Kennern etwas Neues.
Rainer Zitelmann: Psychologie der Superreichen. Das verborgene Wissen der Vermögenselite. Finanzbuch Verlag, München 2017, gebunden, 430 Seiten,  34,99 Euro