© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Lenin am Äquator
Präsidentenwahl Ecuador: Die Wähler entscheiden über die Zukunft des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“
Lukas Noll

Eigentlich hatte sich Ecuadors Präsident Rafael Correa bereits 2014 die Möglichkeit der unbegrenzten Wiederwahl absegnen lassen. Doch nun will der Sozialist die Amtsgeschäfte lieber seinem Vize überlassen: Wer könnte dem strauchelnden „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ auch besser die Kohlen aus dem Feuer holen, als jemand, der Lenin heißt? 

Lenín Voltaire Moreno darf sich der Mann nennen, der Ecuador schon in wenigen Wochen regieren könnte. Die erste Wahlrunde am 19. Februar hatte der 64jährige Verwaltungswissenschaftler mit 39,4 Prozent für sich entschieden, sein liberal-konservativer Gegenkandidat Guillermo Lasso erzielte 28 Prozent. Weil Moreno damit weder die absolute Mehrheit noch jene 40 Prozent erreicht hatte, ab welchen der Abstand zum Zweitplazierten für den Direkteinzug ausgereicht hätte, treten die Ecuadorianer am Sonntag erneut an die Urnen. Nun könnte es knapper werden: Zwar liegt Moreno in aktuellen Umfragen weiterhin vorne, viele Umfragen prognostizieren allerdings ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Julian Assange bangt in London mit

Ein Wahlsieg Lassos hätte Symbolkraft über die Grenzen der Andenrepublik hinaus: Neben Bolivien gilt Ecuador als wichtigster Verbündeter der von Venezuela ausgerufenen „Bolivarianischen Revolution“ in Lateinamerika. Doch der zu Beginn des neuen Jahrtausends euphorisch gestartete Linksrutsch mußte seit dem Tod von Hugo Chávez Federn lassen: Venezuela steht unter dessen glücklosem Nachfolger Maduro vor dem Kollaps, in Argentinien und Peru wurden die linken Regierungen abgewählt, Brasiliens sozialistische Präsidentin sogar parlamentarisch abgesetzt. Auch für Ecuador bedeutet der Abgang des Linkspopulisten Rafael Correa eine Zäsur: Der charismatische Wirtschaftswissenschaftler war neben Chávez einer der Lautsprecher des linken „Alba“-Wirtschaftsbündnisses, das die Sozialisten über Lateinamerika gespannt hatten. 

Wie genau diese Zäsur für Ecuador aussehen wird, darüber haben nun die Ecuadorianer das letzte Wort. Veränderungen wären im Falle einer Wahl Morenos höchstens stilistischer Natur: seit 2006 amtiert er als Vizepräsident unter Correa und steht für eine Fortsetzung dessen linksnationalistischer Politik. Diese zielt auf eine stärkere Beteiligung der ärmeren Bevölkerungsschichten, will aber auch durch die stark angestiegene Auslandsverschuldung finanziert werden. Im Vergleich zum impulsiven Volkstribun Correa ist der seit einem Raubüberfall im Rollstuhl sitzende Moreno für ruhigere Töne bekannt. Kein Wunder also, daß Noch-Amtsinhaber Correa lautstark Wahlkampf für seinen Schützling macht.

Anders sähe es wohl unter dem liberal-konservativen Kandidaten Lasso aus. Der Bänker will für das Wahlbündnis „CREO“ nach fast zwölf Jahren Correa-Regierung einen politischen Wandel einleiten – und vor allem an der stark regulierten Wirtschaft ansetzen. „Ich glaube“, wie sich die Abkürzung für „Creando Oportunidades“(zu dt.: Möglichkeiten schaffen) übersetzen läßt, ist bei dem 61jährigen zudem durchaus Programm. Lasso ist Mitglied von Opus Dei und strikter Abtreibungsgegner. Über Alab, eine Art Gegenbündnis zum Einfluß der USA in Lateinamerika, hat auch er sich lobend geäußert – diplomatische Provokationen wie von Correa sind von ihm allerdings kaum zu erwarten. Der hatte 2010 fast einen militärischen Konflikt mit dem Nachbarland Kolumbien riskiert, als aufflog, daß die kommunistische Farc-Guerilla ungestört Camps in Ecuador unterhalten durfte. 

Größeres Aufsehen auf der Weltbühne erregte Correa, als Ecuador Wikileaks-Gründer Julian Assange 2012 Asyl in seiner Botschaft in London gewährte. Assange, der dort noch immer ausharrt, dürfte wohl Moreno die Daumen drücken: Lasso kündigte für den Fall seines Sieges an, das die Beziehungen zu den USA belastende Asyl aufzuheben.