© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Viel Einigkeit in der Steinzeit
Deutsch-polnisches Geschichtsbuch liegt vor
Mathias Pellack

Das erste gemeinschaftlich von Deutschland und Polen erstellte Geschichtslehrbuch kommt mit dem großen Namen „Europa“ daher. Dieser Titel zeigt die gleichsam großen Wünsche der Autoren und Initiatoren, der Verleger und Wissenschaftler die in der Kommission seit 1972 mitgearbeitet haben. In jenem Jahr wurde die deutsch-polnische Schulbuchkommission von der Bundesrepublik und der Volksrepublik Polen gegründet. 

Konkrete Züge nahm ein gemeinsames Schulbuch aber erst 2007 auf Anregung des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier an. Erschienen ist nun der erste von vier Bänden – von der Steinzeit bis zum Mittelalter. Es soll sowohl für die sechzehn deutschen wie den polnischen Lehrplan passend sein.

Der Historiker und Projektleiter auf deutscher Seite, Thomas Strobel, erklärte bei der Buchvorstellung in der Konrad-Adenauer- Stiftung Mitte März, Inhaltliches sei selten strittig gewesen, viel öfter habe man Probleme bei der Einigung auf didaktische Methoden gehabt. Nur bei der Geschichte Israels in biblischer Zeit war auch der inhaltlich Dissens groß, da die polnischen Autoren biblische Quellen nicht historisch-kritisch hinterfragten. Ob das bei Band vier, der gerade erst begonnen wird und 2020 erscheinen soll, sich mithin also dem geschichtspolitischen Gefechtsfeld der Zeit vom Ersten und Zweiten Weltkrieg über die Vertreibung nach 1945 bis ins neue Jahrtausend widmen soll, so bleiben wird, ist wohl eher unwahrscheinlich. 

Didaktisch höchst unterschiedlich

Die didaktische Normalität hinsichtlich von Quellen zu Autorentext in den Lehrplänen der sechzehn deutschen Bundesländern läge bei bei einem Verhältnis von 60 zu 40 Prozent. Diese Relation ist im sogenannten „Überwältigungsverbot“ bedingt. Das im Beutelsbacher Konsens beschriebene Verbot besagt, daß kein Lehrer einen Schüler – „mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne einer erwünschten Meinung überrumpeln“ dürfe. In polnischen Lehrbüchern wird hingegen ein Verhältnis von 30 Prozent Quellen zu 70 Prozent Autorentext vorgefunden.

Pikant ist auch: Die aktuelle polnische Regierung unter der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat wider Erwarten nichts gegen das Gemeinschaftsprojekt und unterstützt es weiterhin finanziell. Gleichzeitig arbeitet sie aber an einer Schul- und Lehrplanreform. Die Frage bleibt, ob das Lehrbuch danach überhaupt noch zum polnischen Lehrplan passen wird.