© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Massenschlägereien beschäftigen Polizei
Jugendgewalt: Einwanderer kämpfen um Platzhoheit
Lukas Steinwandter

Sie rotten sich zusammen, um zu prügeln. Dutzende junge Männer, manchmal auch über hundert. So geschehen im südhessischen Hanau. Vor rund zwei Wochen traf eine Gruppe von vier Männern auf einen zufällig vorbeikommenden 38jährigen, der gerade aus einer Kneipe in der Innenstadt kam, und schlugen ohne Grund auf ihn ein. Der Mann wurde laut Polizei so schwer verletzt, daß er um sein Augenlicht fürchten muß. Die Polizei vermutet, daß die Täter zu den rund 30 Männern gehörten, die sich zuvor eine Massenschlägerei lieferten. Kein Einzelfall. 

Im ebenfalls südhessischen Gelnhausen gerieten Mitte März rund hundert Jugendliche und junge Erwachsene aneinander. Eine Woche zuvor hatte sich im Hanauer Schloßgarten eine Auseinandersetzung zwischen rund 150 jungen Männern im Alter zwischen 17 und 21 Jahren angebahnt. 

Bei den Beteiligten in Hanau handelte es sich der Polizei zufolge um mehrheitlich afghanische Asylsuchende, die mehreren Hanauern mit – vor allem türkischem – Einwanderungshintergrund gegenüberstanden. 

„In dem Alter schlägt das Testosteron voll durch“

Im Fall der Zusammenrottung im Schloßpark habe es sich nicht um eine Massenschlägerei gehandelt, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Südosthessen, Rudolf Neu, der JUNGEN FREIHEIT. „Vielmehr dürften sich innerhalb einer größeren Personengruppe einige wenige Personen tätlich auseinandergesetzt haben. Die übrigen Personen standen um die Akteure herum. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich für Dritte ein irritierendes Bild ergeben hat.“ 

Die Polizei setzt auf Prävention und verstärkt ihr Aufgebot, vor allem an den Wochenenden. Ein erster Erfolg gelang ihr mit der Festnahme des 19 Jahre alten mutmaßlichen Haupttäters, der an der folgenreichen Prügelei in der Hanauer Innenstadt beteiligt gewesen sein soll. Nach den Vorfällen in Hanau habe es auch in anderen Städten Hessens gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben, bestätigte Axel Weiss-Thiel der Nachrichtenagentur dpa. Der SPD-Politiker ist Sozialdezernent in Hanau. Grund für die Gewalt sind für ihn unter anderem „Migrations- und Zuwanderungsbewegungen“. 

Dadurch trete eine Verschärfung der Situation auf. „Da sind zum Beispiel auch junge Flüchtlinge ohne Perspektive involviert, die auf andere Gruppen treffen, die unterschiedlich sozialisiert sind“, erläutert Weiss-Thiel. Auch das Alter komme hinzu. Die meisten involvierten Schläger seien zwischen der Pubertät und Mitte 20. „In der Altersgruppe schlägt das Testosteron voll durch.“ Diese Vermutung bestätigt ein 17 Jahre alter Afghane, der dabeigewesen sein soll, als es im Park zur Schlägerei kam. Ein Junge habe den anderen zur Seite geschubst, weil dieser ihm nicht aus dem Weg gehen wollte. „Das war der Anfang von den Schlägereien mit den Türken“, beschreibt Harun der Frankfurter Allgemeinen Woche die Szene. Die Türken würden den Park für sich zu beanspruchen versuchen. „Macht Platz. Verpißt euch“, seien einige ihrer Sprüche. Oder: „Hanau ist unsere Stadt. Haut ab.“ 

Nicht nur Hessen ist betroffen. Auch in Peine in Niedersachsen rätselt man seit rund zwei Wochen über nächtliche Ausschreitungen. Zunächst zogen Asylsuchende syrischer und palästinensischer Herkunft randalierend durch die vornehmlich von Einwanderern bewohnte Südstadt. Dann formierten sich Anwohner, vor allem türkischer Herkunft, und wollten „das Recht in die eigenen Hände nehmen“, so die Polizei. „Nach unseren bisherigen Erkenntnissen, waren einige der Beteiligten mit Schlagwerkzeugen (wie Knüppeln) bewaffnet“, sagte Polizeisprecher Peter Rathai der JF. Hintergrund der Auseinandersetzungen sei ein Streit wegen einer jungen Frau gewesen. Vollständig geklärt sei der Hergang allerdings noch nicht.

Die Diskussion ist mittlerweile auch politisch aufgeladen. Die AfD demonstrierte am Samstag anläßlich der Krawalle. Motto: „Keine fremden Konflikte in unserer Stadt“. Polizeiangaben zufolge beteiligten sich daran rund 55 Personen. Diesen sollen etwa 150 Gegendemonstranten gegenübergestanden haben. Einige davon warfen Eier in Richtung der AfD-Demonstranten. Das „Peiner Bündnis für Toleranz“ organisierte eine weitere Kundgebung mit etwa 450 Teilnehmern. 

Nicht immer sind die Konfliktlinien so klar definiert wie in Hanau oder Peine. Am vergangenen Donnerstag abend prügelten sich fast zur gleichen Zeit mehrere Dutzend Jugendliche in Erkner (Landkreis Oder-Spree) südöstlich von Berlin und in Spandau, im nordwestlichen Teil Berlins. Rund 30 bis 40 Personen verabredeten sich auf dem Bahnhof in Erkner und gingen aufeinander los. Als die Polizei eintraf, flüchteten die Kontrahenten. Die Beamten konnten dennoch 13 Personen im Alter von 14 bis 17 festnehmen, ein Beteiligter war 25 Jahre alt. Bilanz: zwei Schwer- und mehrere Leichtverletzte. 

„Die jungen Männer sind keiner Szene zuzuordnen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei Berlin. Ähnlichkeiten mit den Vorfällen in Hanau oder Peine gebe es nicht. Die Ermittlungen dauerten aber noch an. Es gebe zudem „keine Ermittlungsansätze“, daß die geplante Massenschlägerei in Erkner mit der in Spandau in Verbindung stehe. Dort prügelten sich rund 50 junge Männer und Frauen gegenüber dem Rathaus Spandau. Die Beteiligten waren laut Polizei mit Messern, Reizgas und Ledergürtel bewaffnet. Sechs Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren und zwölf Männer im Alter von 17 bis 23 Jahren konnten überprüft werden. Ein Mann mußte ins Krankenhaus gebracht werden.