© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Aufrufe zur Abgrenzung
Einer hat zugehört: Der ARD-Journalist Constantin Schreiber lauschte Freitagspredigten in deutschen Moscheen. Und wird Ohrenzeuge radikaler Ablehnung des Gastlandes

Mathias Pellack / Martina Meckelein / Christian Rudolf

Constantin Schreiber war „Inside Islam“. Weil er wissen wollte, was wohl in den Moscheen Deutschlands geredet würde, wenn er nicht als Journalist erkennbar wäre. Der Journalist und Tagesschau-Moderator, der fließend Arabisch spricht, hat Freitagspredigten dokumentiert und übersetzen lassen. Von Juni bis Dezember vergangenen Jahres in 13 gewöhnlichen deutschen Moscheen, arabischen wie türkischen. Schreiber, in Cuxhaven geboren, verbrachte einen Großteil seiner Jugend in Syrien, arbeitete auf der Arabischen Halbinsel und in Afrika. Mit einer Wissenssendung erreicht er ein Millionenpublikum in der arabischen Welt. Bekannt wurde er mit seiner Sendung „Marhaba“ auf n-tv, mit der er „Flüchtlingen“ deutsche Kultur näherbrachte. Schreiber ging ergebnisoffen an die Recherche. Was er jedoch in Berlin, Potsdam, Leipzig, Hamburg und Karlsruhe in den Predigten zu hören bekam, nennt er „erschreckend“.

„Leben in einer Umgebung, die dich auslöscht“

Erschreckend auch deshalb, weil Schreiber nur die als gemäßigt geltenden Gebetshallen aufgesucht hat. Und nicht etwa die der extremistischen Salafisten. Aufrufe zu Gewalt im engeren Sinn habe es nie gegeben. „Die Gefahr ist viel mittelbarer.“ Was er dort hörte und wahrnahm, offenbarte oft eine sich abschottende Gegengesellschaft. Der „Aufruf zur Abgrenzung“ ziehe sich „wie ein roter Faden durch die Texte“. 

„Bestenfalls waren die Predigten dichte, religiöse Texte, die die Zuhörer in einer anderen Welt halten, schlimmstenfalls wurde das Leben in Deutschland, Demokratie und unsere Gesellschaft abgelehnt. Ich würde gerne ein positives Beispiel anführen, eine Predigt, die Weltoffenheit ausstrahlt, eine Brücke baut zum Leben in Deutschland. Leider haben meine Moscheebesuche ein solches Beispiel nicht ergeben.“

Vielmehr begegneten ihm Sätze wie „Der islamische Staat muß als eine Demokratie im wahrsten Sinne des Wortes betrachtet werden“ und „Ihr könnt nicht sagen: Ich bin zugleich Demokrat und Schiit.“ In einer Moschee sei offen gegen Jesiden, Armenier und Juden gehetzt worden. „Als ich mit dem Imam geredet habe, hat er ganz offen gesagt, daß für ihn Jesiden Symbol der Barbarei seien und es in keinem Land der Welt Jesiden geben dürfe.“

Einen Tag vor Heiligabend sagte der Imam der Mehmed-Zahid-Kotku-Tekkesi-Moschee (Berlin) über die kommenden Feiertage: „Ich möchte über die größte aller Gefahren sprechen, nämlich die Gefahr von Weihnachten.“ Vier Tage zuvor hatte sich in Berlin der erste große islamistische Anschlag mit zwölf Toten ereignet.

Auch Aussagen wie „Das tägliche Gebet ist das wichtigste Merkmal, das den Muslim vom Ungläubigen, vom Hetzer unterscheidet“ zielen auf Abgrenzung und sind schwerlich mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Landes zu vereinbaren.

In der Potsdamer Al-Farouq-Moschee wird laut Schreiber deutlich zur Missionierung der Deutschen aufgerufen und die Gläubigen angehalten, sich nur „mit rechtgläubigen Muslimen“ zu befreunden. Der Imam Kamal Abdallah habe seine Predigt so begonnen: „Jede Neuerung ist Ketzerei. Und Ketzerei ist Irrtum. Und Irrtum endet im Feuer.“ Und später gewarnt: „Wir respektieren das Jobcenter und das Lageso und dieses Land, aber wir respektieren nicht den Menschen, der seine Religion aufgibt.“

In der Berliner Al-Furqan-Moschee warnte der Imam: „Wir leben in dieser Umgebung, die stark auf uns einwirkt, dich auslöscht“. Wichtiger als Deutsch zu lernen sei es, auf eine strenge Religiosität der Kinder zu achten.

Schreiber analysiert jede Predigt mit einem Islamexperten. Die zum Gespräch angefragten Imame sagen in der Mehrzahl Interviews ab oder schieben sie auf. Einmal kommt zur Antwort, „der Imam möchte nicht mit Journalisten sprechen“, ein andermal gibt der Prediger auf deutsch ein Wort zurück: „verboten“.

Von der JUNGEN FREIHEIT mit den Aussagen konfrontiert, streitet der Potsdamer Imam Abdallah ab: „Wer am 16. Dezember gepredigt hat, können wir nicht sagen. Wir haben kein Register darüber.“ Aber Abdallah halte die meisten Predigten selbst. Dennoch: „Jedenfalls habe ich diese Predigt nicht gehalten.“ An die Länge der Ansprache konnte er sich indes erinnern: „Vierzig Minuten“ habe sie gedauert. Schreiber warf er vor, die Worte „aus dem Zusammenhang gerissen“ zu haben. Gegenüber den Potsdamer Neuesten Nachrichten erklärte der Imam wiederum, Gastprediger von außerhalb gebe es nicht. 

900 Moscheegemeinden in Deutschland sind Mitglied im Dachverband Ditib, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. Imame vom Ausland ausbilden, entsenden und bezahlen zu lassen mag dem deutschen Staat recht und billig gewesen sein, als in Deutschland nur eine Million Moslems lebten. Heute ist die Bevölkerungssituation eine andere: Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kommen für Ende 2016 auf circa 4,7 Millionen Anhänger des Islam. Mit welchem Gedankengut diese in den Moscheen indoktriniert werden, davon wissen die Behörden wenig.

Die Integrationsbeauftragte der Landesregierung Brandenburg kennt weder die Zahl der Moscheen im Bundesland noch wie viele Moslems dort leben. „Der Begriff Moschee kann auch nur einen Gebetsraum bezeichnen“, sagte Doris Lemmermeier der JF. Von „verfassungsfeindlichen Bestrebungen in und aus dem Umfeld von Moscheen in Brandenburg ist mir nichts bekannt“.

Constantin Schreiber hätte gern auch offizielle Angaben zur Zahl der Moscheen erhalten. Doch die gibt es nicht. Der Verfassungsschutz kennt die Zahl nicht. Weil der Geheimdienst Moscheen nur bei einem konkreten Extremismusverdacht erfassen und überwachen darf. Schreiber bekommt von einem Experten gesagt, nähme man ernst, was in den islamischen Milieus gedacht werde und in Handzetteln und Predigten öffentlich werde, müßten alle Moscheen überwacht werden.

Das Bundesinnenministerium verweist Schreiber im Rahmen seiner Recherche auf die private Webseite moscheesuche.de. Die verzeichnet 2.300 Moscheen. Man bittet ihn, wenn er denn andere Zahlen fände, diese ans Ministerium weiterzugeben. Laut der Deutschen Islamkonferenz, einer Gesprächsplattform bestehend aus den neun größten Moscheegemeinden-Dachverbänden und dem Innenministerium, gibt es „etwa 2.500 islamische Einrichtungen“. Führt man aber die Zahl der freien Moscheen auf moscheesuche.de mit den Eigenangaben der Dachverbände zusammen, kommt man auf über 3.000.


Centrum-Moschee Hamburg 

19.8.2016 / Hamburg 

sunnitisch / türkisch

Schreiber schreibt: „Die Predigt ist an vielen Stellen nicht verständlich, weil (sie) von Zwischenrufen unterbrochen und schließlich von den Anwesenden niedergebrüllt wurde.“


Dar-al-Hekmah-Moschee

15.7.2016 / Berlin

sunnitisch / arabisch

„Ihr Muslime! Wenn wir zu unseren Gemeinschaften in Europa kommen, stellen wir fest, daß die Leute keinen Unterschied zwischen der Wahrheit und dem Nichtigen machen, sondern Wahrheit und Nichtiges vermischen.“

Hintergrund: Anschlag in Nizza


Umar-ibn-al-Khattab-Moschee

24.6.2016 / Berlin

sunnitisch / arabisch

„Der Imam möchte nicht mit Journalisten sprechen.“


Sehitlik-Moschee 

22.7.2016 / Berlin

sunnitisch / türkisch

Über die Türkei: „Oh Gott, bewahre unseren Staat  und unsere Nation vor jeglichem Bösen!“

Hintergrund: Putsch in Türkei


Yunus-Emre-Moschee  

5.8.2016 / Berlin

sunni / türkisch

„ Das tägliche Gebet ist das wichtigste Merkmal, das den Muslim vom Ungläubigen, vom Hetzer unterscheidet.“

Bezugnehmend auf den mißglückten Putsch in der Türkei 2016: „Gott fordert uns auf, keine Unruhe auf Erden zu stiften.“


Al-Farouq-Moschee

16.12.2016 / Potsdam

sunnitisch / arabisch

„Jede Neuerung in der Religion Gottes ist Ketzerei.“

„Die größte Sache ist es, daß durch dich ein Nichtmuslim rechtgeleitet wird und den Islam annimmt.“


Mehmed-Zahid-Kotku-Tekkesi 

23.12.2016 / Berlin

sunnitisch / türkisch

„Ich möchte über die größte aller Gefahren sprechen, nämlich die Gefahr von Weihnachten.“


Risala-Moschee 

12.8.2016 / Berlin

sunnitisch / arabisch

„Derjenige sei ein Tyrann, der Kämpfer in den Dschihad schicke, dabei aber Muslime töte.“


Al-Furqan-Moschee

Interkulturelles Zentrum für Dialog und Bildung

8. 7.2016 / Berlin

sunnitisch / arabisch

„Die größte Schlacht aber, (...), ist wie du deine Kinder bewahrst, wie du sie mit deiner Religion verbindest, wie der Nachwuchs aufwächst, ein Aufwachsen, wie es Gott gefällt.“


Imam-Riza-Moschee

30.12.2016 / Berlin

schiitisch / türkisch

„Ihr könnt nicht sagen: Ich bin zugleich Demokrat und Schiit.“


Al-Rahman-Moschee 

2.9.2016 / Magdeburg

sunnitisch / arabisch

„Diese (ersten) zehn Tage (im Monat der Pilgerfahrt) sind großartiger als der Dschihad auf dem Weg Gottes.“


Eyüp-Sultan-Moschee  

26.8.2016 / Leipzig

sunnitisch / türkisch

„Wenn der Gläubige im Kampf zu Boden stürzt, dann beklagt er sich nicht über den Sturz. Wißt ihr, was er statt dessen tut? Er steht wieder auf, währenddessen nimmt er eine Hand voll Sand vom Boden, dieser wird zu seiner Waffe.“


Hagia-Sophia-Moschee  

28.10.2016 / Karlsruhe

sunnitisch / türkisch

„Schaut euch die Frauen von heute an! Schaut euch die Mädchen von heute an!“