© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Wer einmal drin ist, hat seinen Posten meist sicher
Sozialwahl 2017: Abstimmung über Vertreter in den Selbstverwaltungen der Kranken- und Rentenkasse / Kein Einfluß auf Beitragssätze oder Leistungen
Peter Offermann

Wegen der Bundestagswahl und der Urnengänge in Frankreich gilt 2017 vielen als Schicksalsjahr. Und es gibt zudem noch eine weitere: die alle sechs Jahre stattfindende Sozialwahl vieler Krankenkassen und der Rentenversicherung. Diese Wahl ist manchen Politikern und Verbänden seit langem ein Dorn im Auge. Zum einen sind da die Kosten von 50 Millionen Euro. Zum anderen nimmt von den 51 Millionen Wahlberechtigen in der Regel nicht einmal ein Drittel an der Sozialwahl teil.

Die Unterlagen mit der Ankündigung, daß man in etwa sechs Wochen die Wahlunterlagen erhält, dürften mittlerweile alle Wahlberechtigten erhalten haben. Wie viele davon ungeöffnet im Papierkorb landen, ist unbekannt. Aber was ist das überhaupt, diese Sozialwahl? „Ich wähle, weil in einer Demokratie wählen dazugehört. Weil ich der Politik die Zukunft der Rente nicht allein überlassen möchte und Selbstverwaltung näher am Menschen als staatliche Verwaltung ist. Weil ich mit meiner Stimme ein Zeichen für soziale Gerechtigkeit setzen will und meine gewählten Vertreter die Finanzen der Deutschen Rentenversicherung Bund kontrollieren“, heißt es in einem beigelegten Faltblatt.

Und so geht es weiter: „Ich wähle, weil ich selbst einen ganz konkreten Nutzen von der Selbstverwaltung habe und Rente ein wichtiges Thema ist. Weil ich mich auch in schwierigen Zeiten auf die Rentenversicherung verlassen will, für einen starken Sozialstaat bin und dort, wo ich meine Beiträge bezahle, mitbestimmen will.“

Bei „Friedenswahlen“ wird faktisch gar nicht gewählt

Der Grundgedanke mag in der Theorie kein schlechter sein. Denn schließlich bestimmen die Mitglieder der Krankenkassen und der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Wahl ihre Vertreter, die dann in den Verwaltungsräten der Sozialversicherungen über die Angebote, beispielsweise Mutter-Kind-Kuren, Reha-Plätze, Zuzahlungen sowie über Einsprüche der Versicherten entscheiden sollen. Soweit die Theorie. Der große Haken in der Praxis ist, daß von den 3.400 Versichertenvertretern lediglich 169 durch eine echte Wahl in ihre Posten kommen. Der Rest gelangt durch „Friedenswahlen“ in das Amt. Hier stehen zumeist so viele Personen zur Wahl, wie es auch Posten gibt. Soll heißen: Es wird faktisch gar nicht erst gewählt. Und nur bei einer Handvoll Krankenkassen können die Versicherten überhaupt abstimmen. Beim großen Rest nehmen die Arbeitnehmervertretungen, DGB-Gewerkschaftler, der Sozialverband VdK oder christliche Gewerkschaften Vertreterstellen ein. Wer einmal drin ist, dürfte seinen Posten also sicher haben.

Auch bei den echten Wahlen, wie bei der Deutschen Rentenversicherung, stehen den Wählern keine Einzelpersonen, sondern Listen der unterschiedlichen Verbände zur Auswahl, in welchen Arbeitnehmer und Versicherte organisiert sind. Wen man wählt, ist für die Wahlberechtigten also kaum zu erkennen. Auch ein Grund, weshalb sich nur sehr wenige an der Wahl beteiligen und die Kassen um so mehr die Werbetrommel rühren. Echte Demokratie sieht anders aus, besonders bei jenen Kassen, bei denen die Interessenvertreter ausgekungelt werden. Und auch der Einfluß der Parlamente ist begrenzt. Zwar kann man die Wahl der Vorstände mitbestimmen, jedoch besteht in der Rentenversicherung zum Beispiel kein Einfluß auf Beitragssätze und Leistungen. Bei den Krankenkassen ist selbst das stark eingeschränkt. Das meiste bestimmt nach wie vor der Gesetzgeber, wie Kritiker mahnen.