© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

CD-Kritik: Benjamin Appl
Konzept Heimat
Jens Knorr

Was ist Heimat? Identify? Homeland? Belonging? Anhand von Liedern des 19. und 20. Jahrhunderts, Liedern die ihm wichtig und nahe sind, will der Bariton Benjamin Appl, Absolvent des „New Generation“-Programms der BBC, seinen Lebensweg sowie die Unterschiede seiner deutschen und englischen Zugehörigkeiten ergründen – ein Konzept-Album also.

Das prätentiöse Programm subsumiert Lieder aus eineinhalb Jahrhunderten, von Schubert bis Britten, unter die Kapitelüberschriften: Wurzeln, Räume, Menschen, Unterwegs, Sehnsucht, Grenzenlos. Den kunterbunten Liederstrauß hält der Regensburger in London leidlich zusammen, sein hochgestecktes inhaltliches Konzept vermag er nicht einzulösen, die einzelnen gegen alle anderen Lieder nicht unverwechselbar zu konturieren. Appls Tonauffassung ist eklektisch; wird’s dramatisch, wird die Tonemission unstet, rutscht ihm die Stimme ein ums andere Mal in den Hals hinter, und verfärbte Vokale auf trockenen, knarzigen Tönen rutschen heraus. Wo die Stimme ihr Zentrum hat, in der Mittellage, dort befähigt Appl sie zu verheißungsvollen Legati.

Ein fabelhafter Liedbegleiter, James Baillieu, steht dem Heimatsucher zur Seite. Der ist längst nicht da, wo er hinmuß, aber seinem Gesang ist anzuhören, daß er da durchaus hinkommen könnte. Die Heimat des Sängers ist der Gesang.

Benjamin Appl Heimat Sony Classical, 2017  www.benjaminappl.com  www.james-baillieu.com