© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Vor dem nächsten Ansturm
Staatsversagen statt Staatsräson: 267.000 als Syrer Eingereiste haben Anspruch auf Familiennachzug
Michael Paulwitz

Es ist die Ruhe vor dem nächsten Ansturm. Die Asylkrise ist nicht vorbei, sie holt nur Luft. Die illegalen Einreisen über Libyen, das Mittelmeer und Italien haben sich im ersten Quartal 2017 um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erhöht, die illegalen Übertritte über die deutsch-schweizerische Grenze mehr als verdreifacht. Während Unionspolitiker im Wahlkampfmodus die Bürger mit vage angekündigten Grenzkontrollen ruhigstellen wollen, bereitet sich über den „Familiennachzug“ die formallegale Potenzierung der bisher erfolgten illegalen Einwanderung vor.

105.000 Familiennachzugsvisa sind laut Städte- und Gemeindebund allein im Jahr 2016 ausgestellt worden. 267.500 als Syrer Eingereiste haben bereits jetzt Rechtsanspruch auf Familiennachzug, teilt ein interner Bericht der Bundesregierung mit; für sie gelte die vorübergehende Aussetzung für „subsidiär Schutzberechtigte“ nicht.

Im Schnitt werde jeder Berechtigte einen Angehörigen nachholen, beschwichtigt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), von Hofmedien wie Spiegel Online eifrig weitergegeben: Das seien ja viel weniger als die ursprünglich einmal erwartete halbe Million. Auch wenn der Rechtsanspruch nur für die „Kernfamilie“ gelten soll, mag man das schon wegen deren Kinderreichtum kaum glauben.

Wie sollen auch, in Anbetracht der vielen ohne Papiere eingereisten „Syrer“, der unübersichtlichen Verhältnisse in den Herkunftsländern und der Leichtigkeit, mit der gefälschte Papiere zu beschaffen sind, die zuständigen Konsulate das sinnvoll überprüfen? Für das Schleppergewerbe eröffnet sich mit der Einschleusung von Schein-Familienangehörigen ein neues lukratives Geschäftsfeld.

Dies erst recht, wenn im nächsten Frühjahr die Aussetzung des Familiennachzugs für Asyl-Immigranten mit „subsidiärem Schutz“ ausläuft. Dann dürften wir rasch über Millionen reden, die allein aufgrund der bisherigen illegalen Asylzuwanderung Anspruch auf zusätzlichen Zuzug haben. In der Asylstatistik tauchen diese Folge-Einwanderer gar nicht erst auf; das Bamf verweist auf seinen „Migrationsbericht“. In den Sozialsystemen und den Hartz-IV-Statistiken werden die Spuren dafür um so markanter ausfallen.

Kirchen und sonstige Asyl- und Einwanderungslobbyisten fordern die Nichtverlängerung der Ausnahmeregelung aus dem März 2016. Die von der AfD verfolgten Unionsparteien basteln sich daraus gerade ein Wahlkampfthema: Das Eintreten für eine Fortschreibung taugt für treffliche Scheingefechte mit Grünen und Linken, die aus Prinzip jede Zuwanderungsbeschränkung verteufeln.

Doch auch die Union hat nicht im Sinn, die Folgezuwanderung zu unterbinden. Es gehe darum, daß Familiennachzüge „auf ein Maß begrenzt werden, das die gesellschaftliche Akzeptanz nicht übersteigt und die Integrationsfähigkeit nicht überfordert“, doziert Fraktionsvize Stephan Harbarth (CDU). Im Klartext: Es sollen halt nicht alle auf einmal kommen, sondern so dosiert, daß die Bürger nicht aufmucken und nicht merken, wie ihnen geschieht.

Das Notprogramm der „Ausnahmeregeln“ ist dabei nur ein weiteres Symptom von Kontrollaufgabe und Staatsversagen. Statt vom Interesse des Gemeinwesens her zu denken, verschanzen sich die politisch Verantwortlichen hinter internationalem Recht, das ihnen angeblich keine Wahl lasse. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Europäische Gerichtshof instrumentalisieren das „Kindeswohl“, um den Familiennachzug zum Instrument der Massenzuwanderung zu machen: Nicht nur Kinder, auch Eltern müssen nachgeholt werden dürfen, um Familien zusammenzuführen – natürlich nicht in der Heimat, sondern im Aufnahmeland.

Das öffnet dem Mißbrauch Tür und Tor. Daß auf die meisten „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“ allenfalls das Attribut „unbegleitet“ zutrifft, ist so bekannt wie tatenlos hingenommen. Überprüft wird kaum, was die unter dieser Fahne Einreisenden, fast ausschließlich junge Männer, über ihr Alter behaupten; wo Stichproben gemacht werden, stimmt nur ein Bruchteil der Angaben.

Man kann nur spekulieren, wie viele „unbegleitete Minderjährige“ lediglich als Quartiermacher für nachzuholende „Eltern“ und „Geschwister“ vorgeschickt worden sind. Mit Sicherheit sind es nicht wenige. Niedersachsens CDU-Fraktionschef Björn Thümler spricht von einem „Geschäftsmodell“ und fordert mehr Alterskontrollen. Nicht nur die Landesregierung in Hannover lehnt das ab und bürdet die immensen Zusatzkosten lieber den Steuerzahlern auf.

Was die Staatsräson verlangt, liegt auf der Hand: Nicht Ausnahmeregeln hier und Kurieren an Symptomen da, sondern die generelle Infragestellung von Familiennachzug und Asylsystem. Kein Staat kann durch abstrakte Rechtsnormen zur Selbstauflösung in einem Tsunami scheinlegaler Immigration gezwungen werden.

Wer den Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz genießt, hat nur ein temporäres Aufenthaltsrecht. Familienzusammenführung kann auch an einem sicheren Ort in der Region geschehen. Familiennachzug nach Deutschland zielt darauf ab, aus vorübergehendem Aufenthalt einen permanenten zu machen und Zuwanderung demographisch zu verfestigen und zu vervielfachen.

Deutschland hat sich bereits verändert, und zwar drastisch. Der dramatische Anstieg der Terrorgefahr, von Kriminalität, Alltagsunsicherheit und sexuellen Übergriffen läßt sich nicht mehr vollständig aus den Statistiken herausmanipulieren. Mag sein, daß Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sich immer noch darüber freut. Den Bürgern wird es zunehmend unheimlich im eigenen Land. Wenn sie bemerken, wie gründlich Deutschland durch die mutwillig in Gang gesetzte muslimische Masseneinwanderung umgekrempelt wird, könnte es schon zu spät sein.