© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Keine Ehe für jeden
Gesetz: Im Zuge der Einwanderungswelle stieg die Zahl verheirateter Minderjähriger / Die Bundesregierung möchte die Praxis eindämmen, doch es gibt Kritik am Entwurf
Christian Schreiber

Noch vor der Sommerpause will die Große Koalition aus Union und SPD eine umstrittene Vorschrift durch den Bundestag bringen.  Mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ sollen künftig exakte Vorschriften in Kraft treten, die vor allem Eheschließungen von Zuwanderern regeln sollen. Geplant ist, daß künftig alle Ehen von Personen unter 16 Jahren für nichtig erklärt werden. Auch bereits im Ausland eingegangene Ehen wären davon betroffen. 

Der Volksmund geht allgemein davon aus, daß eine Eheschließung erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres erfolgen kann. Doch dies ist so nicht ganz richtig. Eine Ehe soll nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Zwar schreibt der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch, daß eine Volljährigkeit vorliegen solle. Das Familiengericht kann auf Antrag von dieser Vorschrift aber eine Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist. „Von dieser Möglichkeit wird immer seltener Gebrauch gemacht. International wird die Möglichkeit, die Ehe vor Volljährigkeit zu schließen, zunehmend eingeschränkt. Damit soll nicht zuletzt eine Ächtung von Kinderehen zum Ausdruck gebracht werden“, schreiben die Groß-Koalitionäre nun in ihrem Gesetzesentwurf. 

Ausnahmslos erst             ab achtzehn ehemündig

Im Herbst 2016 waren 1.475 Minderjährige in der Bundesrepublik als verheiratet registriert. Die hohe Zahl erklärte die Bundesregierung vor allem durch den Zuzug von Flüchtlingen. Nach Aussagen des Innenministeriums handelt es sich bei den meisten minderjährig Verheirateten um Syrer - hier waren 664 Fälle bekannt. Weitere Haupt-Herkunftsstaaten waren Afghanistan oder der Irak. Es gibt aber auch Fälle aus EU-Staaten wie Rumänien oder Bulgarien. Hier waren es vor allem Angehörige der Volksgruppen der Sinti und Roma. Unter den minderjährig Verheirateten waren mit 1.152 deutlich mehr Mädchen als Jungen.

Mit dem Entwurf soll im Interesse des Kindeswohls das Ehemündigkeitsalter im deutschen Recht ausnahmslos auf 18 Jahre festgelegt werden. „Eine unter Verstoß gegen die Ehemündigkeitsbestimmungen geschlossene Ehe ist aufhebbar, wenn ein Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Die Aufhebung hat grundsätzlich immer zu erfolgen“, heißt es in dem Entwurf. Einer Ehe, bei der ein Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, werde die Wirksamkeit versagt. 

Diese Grundsätze sollen auch für nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Minderjährigen-Ehen gelten: „Zusätzlich wird ein Trauungsverbot für Minderjährige eingeführt und Nachteilen bei der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Position des Minderjährigen bei der Unwirksamkeit der Ehe und nach der Eheaufhebung entgegengewirkt.“

Was auf den ersten Blick schlüssig und nachvollziehbar erscheint, sorgt dennoch für Proteste. Die Zahl derer, die sich für eine Legalisierung von Kinderehen aussprechen, ist erstaunlich groß. „Das Gesetz hat den Nachteil, daß es kein Verfahren gibt, in dem die Minderjährigen gehört werden und ihre Position deutlich machen können“,  erklärte Petra Follmar-Otto vom Institut für Menschenrechte gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk. 

Auch hätten die Jugendhilfe und Jugendämter dann keine Handhabe, sie in ihrer Situation zu unterstützen. In einer Stellungnahme des Deutschen Notarvereins wird der Gesetzentwurf sogar als verfassungswidrig bezeichnet. Besonders problematisch sei das Vorhaben der Bundesregierung, im Ausland rechtskräftig geschlossene Ehen künftig für nichtig zu erklären, wenn ein Partner jünger als 16 Jahre ist. 

Follmar-Otto äußerte gegenüber dem Internetportal der „Tagesschau“ weitere Bedenken. „Dieser Entwurf verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention“, sagte Follmar-Otto. Möglicherweise auch gegen die Verfassung, die den Schutz des Kindes festschreibt.

Die Befürworter der Kinderehen argumentieren häufig, daß die Betroffenen am Ende in einer Ehe deutlich besser aufgehoben seien, als wenn sie sich alleine in Deutschland aufhalten würden. 

„Kinder gehören nicht       vor den Traualtar“

Die Familienrechtlerin Eva Becker vom Deutschen Anwaltverein sieht das geplante Gesetz ebenfalls kritisch: „Besonders schwierig wird es, wenn es in einer solchen Ehe schon Kinder gibt. Das Kind hat dann plötzlich keinen rechtlichen Vater mehr.“ Womöglich müsse dann die Vaterschaft festgestellt werden, womöglich müsse der Staat für Unterhaltsansprüche aufkommen, wenn der Vater nicht festgestellt worden sei. „All diese Folgedinge dienen nicht dem Wohl der vermeintlich minderjährigen Mutter oder ehemaligen Ehefrau.“ Daß es keine Einzelfallprüfung geben soll, ist Hauptbestandteil der Kritik. 

Justizminister Heiko Maas sagte, das Wohl der betroffenen Minderjährigen solle im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig betonte er: „Kinder gehören nicht vor das Standesamt und auch nicht an den Traualtar.“