© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Assad-Gegner lieben Abu Ivanka
USA: Noch vor dreieinhalb Jahren warnte Trump Präsident Obama vor einem Syrien-Abenteuer, nun griff er überraschend an
Thorsten Brückner

Die syrischen Aufständischen haben einen neuen Helden. Sein Name: Abu Ivanka (Vater von Ivanka). Abu Ivanka alias US-Präsident Donald Trump hat am vergangenen Freitag einen Angriff auf einen Militärstützpunkt der Assad-Regierung in der Region Homs befohlen. Zuvor hatte die US-Regierung Assad unter Berufung auf Geheimdienstinformationen für einen mutmaßlichen Giftgasangriff in der nordwestlichen Provinz Idlib verantwortlich gemacht, bei dem nach Medienberichten über 70 Menschen starben.

Trumps Tochter Ivanka erreichte den Heldenstatus der syrischen Islamisten durch Presseberichte, wonach sie es gewesen sei, die ihren Vater zu den Luftschlägen gedrängt habe. Auf Twitter bekundete sie, sie sei stolz auf ihren Vater, der diese „schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nicht akzeptiere.

Der in der Regel gutinformierte amerikanische Investigativjournalist Robert Parry will dagegen aus Sicherheitskreisen einen anderen Hergang erfahren haben. Demnach hätten die ansonsten verfeindeten Trump-Berater Steve Bannon und Jared Kushner, Ivankas Ehemann, in ihrer Ablehnung des Militärschlags auf derselben Seite gestanden. Im Endeffekt hätten sich aber die neokonservativen Hardliner unter Führung des neuen Nationalen Sicherheitsberaters H.R. McMaster durchgesetzt.

Ob beabsichtigt oder nicht, zeigt sich hingegen auch, daß es Trump mit den Luftschlägen gelungen ist, innenpolitisch Druck aus dem Kessel der ersten 100 Tage einer bisher wenig überzeugenden Präsidentschaft zu nehmen. Für die US-Medien brauchte es scheinbar nicht mehr als eine kriegerische Aktion im Nahen Osten, um sich statt des üblichen Trump-Bashings im Lob auf den neuen Oberbefehlshaber der Streitkräfte geradezu zu überbieten. Weniger begeistert sind dagegen Trumps Unterstützer der ersten Stunde, die ihm vorwerfen, vor dem Establishment eingeknickt zu sein. Die Publizistin Ann Coulter schrieb auf Twitter: „Diejenigen, die wollten, daß wir uns wieder im Nahen Osten einmischen, haben für andere Kandidaten gestimmt.“

Trump sah das wohl vor dreieinhalb Jahren noch genauso, als er in Reaktion auf Obamas Überlegungen, Syrien wegen des angeblichen Einsatzes von Giftgas zu bombardieren, auf Twitter verlauten ließ: „Was werden wir davon haben, Syrien anzugreifen, außer mehr Schulden und einem möglicherweise langen Konflikt?“ Er warnte davor, ein Eingreifen dort könne im schlimmsten Fall zu einem dritten Weltkrieg führen. Für einen möglichen Luftschlag brauche Obama die Zustimmung des Kongresses, so seine Forderung damals.

Nur wenige Spitzenpolitiker  äußern Zweifel 

Nur wenige amerikanische Spitzenpolitiker äußern Zweifel an der Schuld Assads. „Entweder ist er der dümmste Diktator der Welt oder das ganze ist noch verwirrender“, sagte Senator Rand Paul mit Blick auf die großen Territorialgewinne Assads der vergangenen Monate und forderte: „Ich würde gerne die Beweise sehen.“ Ins gleiche Horn stießen seine republikanischen Parteikollegen aus dem Repräsentantenhaus, Thomas Massie und Justin Amash. Letzterer verwies dabei vor allem darauf, daß Trump laut Verfassung für den Angriff die Zustimmung des Kongresses hätte einholen müssen.

 Auch auf seiten der Demokraten widersprechen nur einzelne Abgeordnete, während das Parteiestablishment – allen voran der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, und die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im Chor mit der unterlegenen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton – voll des Lobes für das Vorgehen ist. Anders die Abgeordnete Tulsi Gabbard aus Hawaii, Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Repräsentantenhauses und Irakkrieg-Veteranin, die noch im Januar bei einem Besuch in der Krisenregion Präsident Assad getroffen hatte. „Es macht mich wütend und traurig, daß Präsident Trump dem Rat der Kriegsfalken gefolgt ist und unseren illegalen Krieg, um das syrische Regime zu beseitigen, eskaliert hat“, schrieb sie in einer Erklärung. Ihrer Meinung nach gebe es keinen Beleg dafür, daß Assad hinter dem Giftgasangriff steckt.

 Für die Syrienpolitik der Trump-Regierung bedeutet der Angriff vom Freitag eine 180-Grad-Wende. Noch Ende März betonte Außenminister Rex Tillerson, man müsse die Fakten in der Region zur Kenntnis nehmen und dürfe einen Rückzug Assads daher nicht mehr zur Bedingung machen. Ähnlich äußerte sich UN-Botschafterin Nikki Haley. Nun die Rolle rückwärts: Assad spiele für eine Friedenslösung in Syrien keine Rolle mehr, so Tillerson am Donnerstag. „Es wird einen Regimewechsel geben“, kündigte Haley im CNN-Interview an. Es gebe keine politische Lösung mit Assad an der Spitze. Trump sei entschlossen, wenn nötig „mehr in Syrien zu tun“. Assads Verbündete Rußland und Iran haben inzwischen klargestellt, daß der US-Angriff für sie das Überschreiten einer roten Linie darstellt. Von jetzt an werde man weiteren Aggressionen militärisch entgegentreten, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme.