© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Sorge um untergetauchte und abgewiesene Asylbewerber
Schweden: Nach dem Terroranschlag in einer belebten Stockholmer Einkaufsstraße diskutiert das Land seine Migrantenpolitik
Verena Inauen

Gerade weil das „Engagement unseres nordischen Nachbarn für Menschenrechte, für Frieden und Gerechtigkeit“ vorbildlich sei, kam der Terroranschlag eines Usbeken in Stockholm so überraschend, sagten die beiden Außenminister von Deutschland und Frankreich, Sigmar Gabriel und Jean-Marc Ayrault. 

Der mit der Terrormiliz Islamischer Staat in Verbindung stehende Asylbewerber sollte längst abgeschoben werden, er tauchte aber unter und raste mit einem gestohlenen Lkw in eine Menschenmenge und anschließend in ein Kaufhaus. Die gleiche Vorgehensweise wie auch in Nizza, Berlin, London oder Brüssel. Rußlands Präsident Wladimir Putin, dessen Land erst vor wenigen Tagen von einem Anschlag in Sankt Petersburg mit 13 Toten und 50 Verletzten erschüttert wurde, richtete seine Trauerbekundungen direkt an den schwedischen König Carl XVI. Gustaf: „In dieser schwierigen Zeit trauert das russische Volk mit den Schweden.“ 

Islamistische Netzwerke unter Druck 

Vier Menschen, darunter eine Elfjährige, starben bei dem Attentat in einer Einkaufsstraße von Stockholm, weitere 15 wurden verletzt, während der Täter zunächst fliehen konnte, aber kurz darauf von der Polizei festgenommen wurde.

In einer ersten Vernehmung zeigte er sich „zufrieden mit dem, was er getan habe“, berichtete die schwedische Zeitung Expressen. Bereits 2014 stellte der Bauarbeiter einen Antrag auf Bleiberecht, der jedoch im Juni 2016 abgelehnt wurde. Nach einer vierwöchigen Frist, das Land zu verlassen, wurde sein Fall der Polizei übergeben. Diese konnte ihn jedoch seit Februar 2017 nicht mehr auffinden. Die Polizei rechtfertigte ihr Versagen öffentlich damit, daß es in der besagten Region 3.000 und im gesamten Land 10.000 solcher Fälle gebe.

Obwohl das multikulturelle Schweden an eine hohe Kriminalität gewohnt ist – die Zahl der Gewaltverbrechen stieg in den vergangen 40 Jahren um 300 Prozent an –, zeigte sich der Ministerpräsident Stefan Löfven kämpferisch: „Die Terroristen können Schweden niemals besiegen, niemals“, betonte er am Freitag abend gegenüber nationalen Medien. Die Verantwortlichen wollten, daß Schwedens Bürger ihr Leben nicht mehr normal leben, was jedoch nie geschehen werde. Zigtausende Menschen strömten entsprechend am Palmsonntag zu einer „Demonstration der Liebe“ zum Stockholmer Sergels-Platz und gedachten der Opfer. „Wir reden, wir kämpfen nicht“, sagte eine Frau etwa n-tv.

Dem 39 Jahre alten Usbeken, einem vierfachen Familienvater, wird der Tatbestand der „terroristischen Tötung“ zur Last gelegt. Seit dem Attentat führte die Polizei mehrere hundert Verhöre und zahlreiche Hausdurchsuchungen durch. Nach möglichen Komplizen oder Netzwerken hinter dem Attentäter wird gefahndet. Sechs Männer wurden bis Montag festgenommen. Sie stehen genauso wie der Attentäter unter Verdacht, ein terroristisches Netzwerk mit Hilfe des IS aufgebaut zu haben.

Gegenüber Reuters zeigte sich die Vizevorsitzende der oppositionellen zuwanderungskritischen Schwedendemokraten, Julia Kronlid, wenig überrascht: „Wir haben vor solchen Vorfällen gewarnt“, da Schweden besonders offen gegenüber Zuwanderern sei. Ein hohes Risiko sieht auch die Sprecherin der Sozialdemokraten im Nachbarland Dänemark, Trine Bramsen, in untergetauchten und nicht abgeschobenen Asylbewerbern. Gemeinsam mit Justizminister und Migrationsministerin möchte sie Klarheit schaffen, was mit abgewiesenen Zuwanderern passiert.