© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

DVD: Die Narbenhand
Ravens Rache
Werner Olles

Der Film noir ist wohl dasjenige Subgenre des populären Kriminal- und Agenten-Thrillers, das sich am ehesten einer eindeutigen Definition widersetzt. Besonders deutlich wird dies in Frank Tuttles „Die Narbenhand“ („This Gun for Hire“, USA 1942). Entstanden nach einem Roman von Graham Greene, erzählt der Film die Geschichte des Profikillers Raven (Alan Ladd), der während des Zweiten Weltkrieges von einem Sabotage-Agenten hintergangen wird, indem dieser ihn für einen Mord mit gestohlenem Geld bezahlt. Raven ist entschlossen, sich zu rächen, zumal er erfahren hat, daß er nun selbst in Gefahr ist, von den Agenten ermordet zu werden. Er entführt die Nachtclub-Sängerin Ellen (Veronica Lake), die aber insgeheim für die Regierung der Vereinigten Staaten arbeitet. Ellen gelingt es, sein Vertrauen zu gewinnen und ihn zu lenken. Raven erschießt nicht nur den Mann, der ihn hereingelegt hat, sondern auch den Großindustriellen, der Giftgas an die Japaner verkauft und die Schlüsselfigur des feindlichen Agentenrings ist.

„Die Narbenhand“ machte Alan Ladd über Nacht zum Weltstar. Dabei ist Raven eine für den Film noir nicht untypische Gestalt für den lebenden Widerspruch von Wesen und Erscheinung. So kann er unendlich sanft mit seiner Katze umgehen – er mag Katzen, sagt Raven, weil sie niemanden brauchen – und doch Menschen töten ohne jede Gefühlsregung. Zugleich gilt der Film als Vorbild für Jean-Pierre Melvilles Meisterwerk „Der eiskalte Engel“ („Le Samurai“), in dem Alain Delon – genau wie Raven – ohne emotionale Regung tötet, still, präzise und gegen Bezahlung. Ravens Problem ist jedoch, daß er sich auf der Flucht vor der Polizei und den Agenten, die ihn verfolgen, in seine betörend schöne Geisel verliebt hat, ohne zu ahnen, daß auch sie ein doppeltes Spiel spielt.

„This Gun for Hire“ gehört mit zum Besten, was die sogenannte Schwarze Serie in den 1940er Jahren zu bieten hatte. Psychologisch nicht immer ganz stimmig, lebt die Geschichte von einem feinen Gespür für Stimmungen, Atmosphäre, dem Spiel mit Licht und Schatten, dem erzählerischen Rhythmus und den soliden darstellerischen Leistungen, allen voran Alan Ladd als Todesengel, während Veronica Lake dem düster-fatalistischen Werk eine melodramatische Note verleiht.

DVD: „Die Narbenhand“. KochMedia 2017, Laufzeit etwa 78 Minuten