© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Frisch gepresst

Ostpreußen 1944/45. Um die Erforschung der ostdeutschen Zeitgeschichte zwischen 1914 und 1945 steht es weiterhin schlecht. Auszunehmen von diesem Urteil sind Flucht und Vertreibung. Und hierzu sind, im Vergleich mit Schlesien oder Pommern, die Geschehnisse in Ostpreußen im Winter und Frühjahr 1944/45 am besten dokumentiert und am häufigsten untersucht worden. Nicht zu Unrecht moniert der Militärhistoriker Richard Lakowski jedoch, daß bei der Konzentration auf das Schicksal der Zivilbevölkerung die eigentlichen Kampfhandlungen bisher „nur ein Hintergrundthema“ waren. Mit seiner minutiösen, mustergültig gründlichen Untersuchung über den im Herbst 1944 eröffneten „Krieg in Ostpreußen“ hat er diese Forschungslücke nun geschlossen. Die Arbeit basiert wesentlich auf der Auswertung von Akten im Freiburger Militärarchiv. Sie steht aber unter dem freimütig eingeräumten Vorbehalt, ein Gesamtbild erst zeichnen zu können, wenn die russische Seite endlich Zugang zu ihren Archiven gewährt. Bis dahin wäre auch zu klären, welchen zusätzlichen Erkenntniswert denn die Datenmassen, die eine „operationsgeschichtliche Fragestellung“ zutage fördert, über den zu „Flucht und Vertreibung“ bisher verfolgten sozial- und mentalitätshistorischen Ansatz hinaus denn verschaffen könnte. Lakowskis faktensatte, vom Verlag generös mit farbigen Karten ausgestattete, aber analytisch schwachbrüstige Monographie verrät es jedenfalls noch nicht. (ob)

Richard Lakowski: Ostpreußen 1944/45. Krieg im Nordosten des Deutschen Reiches. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016, gebunden, 264 Seiten, 34,90 Euro





K.u.k.-Erbe. Die Ukraine ist ein geteiltes Land. Das ist nicht erst seit den politischen Spannungen über das Verhältnis zu EU und Rußland seit 2014 offenkundig. Insbesondere im Westen, mit den Provinzhauptstädten aus alten k.u.k-Tagen, Czernowitz in der Bukowina und Lemberg in Galizien, ist der Blick nach Zentraleuropa gerichtet. Beinahe so, wie es vor hundert Jahren auch war, als aus Wien die Architekten kamen, die den multiethnischen Städten mit ihren Ukrainern, Polen, Rumänen, Deutschen und Juden ihren Stempel aufdrückten. Die Fotografin Isolde Ohlbaum hat dieses Erbe optisch aufbereitet, der ukrainische Lyriker Juri Andruchowytsch fängt den Charme dieser Städte in Worten ein. (bä)

Isolde Ohlbaum, Juri Andruchowytsch: Czernowitz & Lemberg. Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2017, gebunden, 96 Seiten, Abbildungen, 19,80 Euro