© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Truppen sollen erst einmal nicht verlegt werden
Gibraltar: Halbinselverwalter Großbritannien und Spanien streiten um die Abwicklung des Brexit / Madrids Vetorecht erzürnt London
Michael Ludwig

Christian Hernández, Präsident der Handelskammer von Gibraltar, diktierte dem spanischen Reporter ins Mikrofon: „Wir möchten nicht als Wechselgeld für den Brexit herhalten müssen“. Seine Stimme klang dabei ebenso empört wie entschieden. Und John Carreras, der in der britischen Besitzung am Südzipfel der spanischen Halbinsel ein Obstgeschäft betreibt, ergänzte: „Die nächsten zwei Jahre werden spannend. Das Vereinigte Königreich, Spanien und die EU werden sich gegenseitig Steine in den Weg legen, und wir werden es ja erleben, in welche Richtung der erste Schuß abgefeuert wird.“ 

Während der Debatte um das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU hat wohl kaum ein Politiker daran gedacht, daß sich die Nahtstelle am Eingang des Mittelmeeres zu einem derartigen Zankapfel entwickeln könnte. Erst als Ratspräsident Donald Tusk bei den Austrittsverhandlungen Madrid in Sachen Gibraltar ein Vetorecht einräumte, schrillten in London die Alarmglocken. Der Chef des „Affenfelsens“, Fabian Picardo, erklärte, Tusk verhalte sich wie ein Ehemann, der die Scheidungsunterlagen bekommen habe und jetzt den Streit auf seine Kinder verlagere. Gibraltar werde weder ein politisches Pfand noch Opfer beim Austritt aus der EU werden.

Angestachelt durch englische Massenmedien, schlugen auch Politiker barsche Töne an. „Vor 35 Jahren schickte eine britische Premierministerin das Militär um die halbe Welt, um die Freiheit einer kleinen Gruppe von Briten gegen ein spanischsprachiges Land zu verteidigen. Und ich bin mir absolut sicher, daß unsere gegenwärtige Premierministerin ebenso entschlossen den Menschen in Gibraltar beistehen wird“, sagte Michael Howard, ehemaliger Vorsitzender der britischen Konservativen. Howard spielte mit seiner Bemerkung auf den Krieg um die Falklandinseln an, die vor 35 Jahren von Argentinien besetzt worden waren und auf Befehl von Margaret Thatcher von britischen Truppen zurückerobert wurden.

In Spanien nahm man das Säbelrasseln gelassen auf. Außenminister Alfonso Dastis sagte: „Das Vereinigte Königreich ist normalerweise ein Land, in dem vornehme Zurückhaltung gepflegt wird – und nun brilliert die britische Zurückhaltung durch Abwesenheit.“ Dastis erklärte außerdem, daß seine Regierung keinerlei Repressalien gegen die britische Besitzung ergreifen werde. Eine Blockade Gibraltars, wie sie schon einmal vom spanischen Diktator Franco verhängt wurde, werde es nicht geben. Auch eine vorübergehende Grenzschließung wie 2003 komme nicht in Frage. 

Inzwischen hat die britische Seite verbal abgerüstet. Ein Regierungssprecher stellte klar, daß London keine Truppen nach Gibraltar verlegen werde, um eventuellen spanischen Gebietsansprüchen entgegenzutreten. Premierministerin May betonte: „Was wir machen werden, ist, daß wir uns mit allen EU-Ländern zusammensetzen und mit ihnen Gespräche führen werden.“ 

Das EU-Parlament gab in Sachen Gibraltar keine Empfehlung ab. Darauf hatten sich im Vorfeld die Abgeordneten der wichtigsten spanischen Parteien mit Guy Verhofstadt, der im EU-Parlament für die Abwicklung des Brexit verantwortlich ist, geeinigt. Sie halten das Vetorecht für ausreichend. Die Tageszeitung El País  hat die Erwartungshaltung jenseits der Pyrenäen mit dem Zitat eines hochrangigen spanischen EU-Beauftragten folgendermaßen beschrieben: „Denen, die gehen, rufen wir ein Adiós zu; jene, die in der EU bleiben, werden auch weiterhin Einfluß haben. Erwarten die Briten etwa, daß die EU Spanien in dieser Frage die Gefolgschaft verweigert?“