© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Deklaration für Meinungsfreiheit
Zensur: Ein breites Bündnis protestiert gegen Justizminister Maas und sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Gil Barkei

Bereits kurz nachdem das Bundeskabinett am 5. April SPD-Justizminister Maas’ Entwurf des sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) beschlossen hatte, wurde deutliche Kritik laut. Nun haben sich zahlreiche Medien- und Wirtschaftsverbände zu einem breiten Bündnis zusammengeschlossen und eine „Deklaration für Meinungsfreiheit“ veröffentlicht, in der sie vor „katastrophalen Folgen“ warnen, sollte das NetzDG vom Bundestag verabschiedet werden. 

Besonders durch die im Gesetzesentwurf geplante Übertragung „staatlicher Aufgaben der Rechtsdurchsetzung an Privatunternehmen“ seien die Grundlagen der Meinungsfreiheit gefährdet. Die vorgesehenen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro, in Verbindung mit den kurzen Reaktionsfristen von 24 Stunden für „offensichtlich strafbare Inhalte“ und einer Woche für sonstige strafbare Inhalte, verstärken die Gefahr, „daß sich Plattformbetreiber im Zweifel zu Lasten der Meinungsfreiheit und für die Löschung“ entscheiden. Die Prüfung, was rechtswidrig oder strafbar ist und was nicht, sei alleinige Aufgabe von Gerichten. Habe die Justiz dazu nicht die nötigen Ausstattungen und Strukturen, müßten diese eben bereitgestellt und geschaffen werden. Genau diese zusätzlichen, in Wahlkampfzeiten schwer vermittelbaren Kosten für die Bundesländer und damit letztlich für die Steuerzahler will Maas aber auf die Unternehmen übertragen, da diese schließlich mit ihren Online-Plattformen viel Geld verdienen.

Protest lediglich gegen die Form des Gesetzes

Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören unter anderem der Digitalverband Bitkom, der Chaos Computer Club, Reporter ohne Grenzen, der Deutsche Journalisten-Verband sowie mehrere Rechtsexperten. Sie unterstreichen zwar einen Handlungsbedarf angesichts absichtlicher Falschmeldungen und Haßrede, setzen allerdings auf eine „gesamtgesellschaftliche Lösung“, bei der Staat, Zivilgesellschaft und Anbieter kooperieren, um „Gegenrede und Medienkompetenz“ der Bürger zu stärken.  

Selbst die umstrittene Amadeu-Antonio-Stiftung, Mitglied in Maas’ „Task Force gegen Hatespeech“, gehört zu den Unterstützern der Deklaration, genauso wie die Vereine Cnetz und D64, die der Union beziehungsweise der SPD nahestehen. 

Deutliche Worte in Richtung Justizministerium kommen auch direkt aus der SPD und vom Koalitionspartner. Der netzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek (CDU), monierte gegenüber dem Spiegel, er vermisse in dem Entwurf das Recht auf Gegendarstellung sowie eine Kennzeichnungspflicht von Social Bots. „Besonders kritisch ist, daß Facebook und Co. weiterhin selbst entscheiden dürften, welche Beiträge gelöscht werden.“ Er schlägt eine staatlich regulierte Einrichtung vor, die diese Aufgabe – ähnlich wie die Landesmedienanstalten beim Jugendschutz – übernehmen könnte. Doch eine allzu offensichtliche Lösch-Behörde, die den Eindruck eines „Wahrheitsministeriums“ vermittelt und den regierungskritischen Vorwurf staatlicher Zensur untermauert, versucht Maas möglichst zu umgehen.

Bei den Sozialdemokraten konzentriert sich die Kritik auf einen anderen Punkt. Vizefraktionschefin Eva Högl forderte gegenüber dem Spiegel „einen ausdrücklichen Richtervorbehalt“ bei der Herausgabe persönlicher Daten von vermeintlichen Tätern an geschädigte Privatpersonen, da der vorgesehene „schrankenlose Auskunftsanspruch“ politisch mißbraucht werden könne und Einschüchterung sowie Denunziantentum fördere. Dieser Richtervorbehalt war auf dem Faktenblatt zum Entwurf vermerkt, findet sich jedoch im Gesetzestext nicht eindeutig wieder. 

Aus Verbandskreisen heißt es, der Bundesrat habe bereits Widerstand gegen den aktuellen Entwurf sowie ein Änderungsvorhaben signalisiert und einer möglichen Fristverkürzung für einen schnelleren Gesetzgebungsprozeß eine Absage erteilt. Voraussichtlich solle das Gesetz am 2. Juni Thema im Bundesrat sein. Federführend sei ausgerechnet das SPD-regierte Rheinland-Pfalz, dessen Ministerpräsidentin Malu Dreyer momentan Bundesratspräsidentin ist. Damit erscheint es unwahrscheinlich, daß das NetzDG – wie von der Bundesregierung vorgesehen – noch vor der Sommerpause und damit vor der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes den Bundestag passieren wird.

Das Justizministerium hat die Unterzeichner der Deklaration zu Gesprächen am 28. April eingeladen. Doch der allgemeine Konsens über die Notwendigkeit eines Vorgehens gegen „Fake News“ und „Hatespeech“, bei gleichzeitiger Ablehnung lediglich der jetzigen Form des Gesetzes, legt nicht nur handwerkliche Mängel im Haus von Heiko Maas offen, sondern verdeutlicht erneut, daß das ohnehin schon stattfindende Löschen von Inhalten im Internet künftig zunehmen wird.