© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Frisch gepresst

Paradiese. Schon lange vor dem Einsturz ihrer realsozialistischen „Leuchttürme“ projizierte die ewige Linke ihren Traum von der herrschaftsfreien Gesellschaft gut rousseauistisch gern auf vormoderne Tropenparadiese. Dabei muß es nicht immer die Südsee sein. Der emeritierte Münchner Ethnologe Hermann Amborn weiß solche Hoffnungen auch mit Feldstudien bei polykephalen, nichthierarchischen Gesellschaften im südlichen Äthiopien zu nähren. Er empfiehlt sie als Muster für die „Funktionsweise bevölkerungsstarker anarchischer Gemeinschaften“, die zeigen, daß auch ohne Gewaltmonopol gesellschaftliches Handeln, Rechtssicherheit und innerer Friede gelingen kann. Über das Osthorn von Afrika hinaus komme diesen Gemeinschaftsformen Bedeutung zu, in denen die Vereinzelung des Individuums nicht den Grad erreicht habe wie im globalen Norden und wo Profitmaximierung nicht den höchsten Wert darstelle. Sie würden daher das moderne, „von kapitalistischer Ideologie durchdrungene Konzept vom Staat als globales soziopolitisches Allheilmittel“ relativieren. (wm)

Hermann Amborn: Recht als Hort der Anarchie. Gesellschaften ohne Herrschaft und Staat. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2016, broschiert, 285 Seiten, 18 Euro





Visionen 2050. Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Billiger Spott dieser Sorte hat den Mittelstandsforscher Eberhard Hamer nicht davon abgehalten, Entwicklungstrends aufzuzeigen, die sich bis zur Jahrhundertmitte mit größerer Wahrscheinlichkeit in Deutschland und Europa realisieren werden. Dafür konnte sich Hamer auf die Erfahrungen und Analysen von 30 Fachleuten stützen, die in zehn Arbeitsgruppen ihre Einschätzungen zu Energie-, Boden- und Rohstoffressourcen liefern und zur Entwicklung von Bevölkerung, Weltfinanzsystem, Technologie, Bildung, Sicherheits- und Geopolitik, Gesellschaft, Wirtschaft und Wertewandel abgeben. Die den alten Kontinent am meisten bedrohenden Prozesse dürften sich aus dem „Wanderungsdruck“ ergeben, da im Sommer 2015 die Schleusen für „die größte Völkerwanderung der Geschichte“ geöffnet worden seien. Die Arbeitsgruppe zu diesem Politikfeld stimmt daher einer UN-Prognose zu, die für 2050 hochgerechnet hat, daß in Europa mehr Zugewanderte als Einheimische leben werden. (dg)

Eberhard Hamer (Hrsg.): Visionen 2050. Wohin steuern wir? Trends und Prognosen für Deutschland und Europa. Kopp Verlag, Rottenburg 2016, gebunden, 288 Seiten, 19,95 Euro