© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

Flüchtlingsroute über das Mittelmeer
Das libysche Dilemma
Marc Zoellner

Die Vorwürfe wiegen schwer: Gleich eine ganze Reihe von Nichtregierungsorganisationen sollen während ihrer Tätigkeit im Mittelmeer nicht nur an der Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge vor der Küste Libyens beteiligt gewesen sein, sondern auch aktiv die Zusammenarbeit mit libyschen Menschenschmugglern gesucht haben. Unter anderem durch das Aussenden von Lichtsignalen, um hochseeuntaugliche Schlauchboote direkt zu den Schiffen der NGOs zu geleiten.

Fest steht: Erweisen sich die Vorwürfe als wahr, käme die Heuer von Menschenhändlern einem Freifahrtschein für die Einreise nach Europa gleich. Doch da somit nicht nur europäisches und nationales Einwanderungsgesetz ausgehebelt, sondern auch mafiösen Netzwerken in Nordafrika Geld in die Kassen gespült wird, offenbart das Dilemma im Falle Libyens: objektiv ist Europa nicht für innerafrikanische Wirtschaftsflüchtlinge in der Verantwortung. Rein menschlich hingegen darf die EU nicht die Augen vor der Flüchtlingstragödie in Libyen verschließen. Die Mittelmeerroute zu blockieren stellt wiederum eine logistische Unmöglichkeit dar. Der EU bleibt somit kaum mehr übrig, als mit der libyschen Regierung – so desolat sie auch im eigenen Lande stehen mag – einen Pakt einzugehen: Mehr Geld für Camps in Afrika; bestenfalls unter Kontrolle internationaler Hilfsorganisationen. Mit der Türkei hat sich ein solches Abkommen bereits bewährt.