© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

„Ganz üble Inszenierung“
Verfassungsschutz: Wegen angeblicher Sympathie für die Identitären gerät Bayerns AfD-Vorsitzender ins Visier des Amts / Anhaltend hohe Gefahr durch Islamisten
Christian Schreiber

Wenige Monate vor der Bundestagswahl verschärft der Freistaat Bayern die Gangart. Pünktlich zur Vorstellung des Jahresberichts gab die Landesbehörde des Verfassungsschutzes bekannt, den AfD-Landesvorsitzenden Petr Bystron zu beobachten. Bystron zeige starke Sympathien für die Identitäre Bewegung (IB), sagte Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner. Bystron werde als Einzelperson beobachtet, die AfD an sich sei nicht im Fokus der Verfassungsschützer. Das könnte sich allerdings ändern. „Wir müssen sehen, wie sich die AfD zu den Äußerungen Bystrons stellt“, sagte Körner. 

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, jenseits der rechtsextremistischen Parteien etabliere sich mit der Identitäten Bewegung „eine neue gefährliche Gruppierung“. Sie verbreite mit modernen Aktionsformen und neuen Begriffen auf subtile Weise ihre Ideologie – doch dahinter verberge sich letztendlich eine starke Verwandtschaft mit der völkischen Ideologie der Rechtsextremisten, meinte der CSU-Politiker. 

Auch andere Teile der rechten Szene stehen laut Verfassungsschutzbericht im Fokus. Hier erwähnte Körner vor allem die sogenannten Reichsbürger, deren Zahl in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen sei. Knapp 2.700 Reichsbürger oder „Selbstverwalter“ konnten die bayerischen Sicherheitsbehörden bislang identifizieren. Selbstverwalter definieren beispielsweise ihre Wohnung, ihr Haus oder ihr Grundstück als souveränes Staatsgebiet. 

Während Innenminister Herrmann festellte, daß die Bedeutung der organisierten rechtsextremen Parteien wie der NPD stark abnehmend sei, warnte Behörden-Chef Körner vor einer Radikalisierung in den sozialen Netzwerken. Man habe es dort mit einem Phänomen zu tun, daß dort Leute verfassungsfeindliche Positionen äußern, die so noch nicht in Erscheinung getreten seien. 

Auf der linken Seite des politischen Spektrums hat der Bericht wenig Neues zu bieten. Die Gewaltbereitschaft der militanten Szene bewege sich trotz eines leichten Rückgangs im Jahr 2016 auf anhaltend hohem Niveau. 72 linksextremistische Gewalttaten gab es 2016 in Bayern. Fast die Hälfte davon richtete sich gegen Polizeibeamte, die andere Hälfte gegen Veranstaltungen oder Anhänger des politischen Gegners. Linksextremisten bedienen sich zunehmend der Flüchtlingskrise, um ihre Taten zu rechtfertigen. 

Zurückkehrende Kämpfer sind hohes Sicherheitsrisiko

„Diese Leute suchen die Gewalt und provozieren Konflikte. Dazu instrumentalisieren sie zum Beispiel die aktuelle Diskussion um die Zuwanderung, um dem Staat bei der Durchsetzung des geltenden Rechts pauschal ‘Faschismus’ und ‘Rassismus’ zu unterstellen“, sagte Herrmann. Gezielt würden diese Gruppierungen versuchen, demokratische Organisationen zu infiltrieren, die sich für Flüchtlinge einsetzen. 

Einen breiten Raum nehmen im Bericht Bestrebungen ausländischer Extremisten ein. 4.070 Angehörige islamistischer Vereinigungen zählte das Landesamt 2016 in Bayern, darunter 2.900 Anhänger der Milli Görüs-Bewegung. 

Die Zahl der Salafisten ist auf 670 gewachsen. 20 Prozent von ihnen gehören zum „gewaltorientierten Spektrum“. Die Gefahr durch radikale Islamisten ist nach Ansicht Herrmanns anhaltend hoch. Aktuell seien aus dem Freistaat fast 100 Personen in Richtung der Kampfgebiete der Terrormiliz Islamischer Staat ausgereist oder beabsichtigen dies. Vor allem die Rückkehr kampferfahrener Islamisten sei „ein hohes Risiko für die Sicherheit in unserem Land“, sagte der Innenminister. Als beunruhigend wertete er die Tatsache, daß an mehreren Orten in Bayern Islamisten versucht hätten, Kontakte zu Flüchtlingen herzustellen. Eine Gefahr bestehe hier vor allem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die nach Anschluß suchen. „Insgesamt besteht eine anhaltend hohe Anschlagsgefahr“, sagte der CSU-Politiker. Darüber hinaus gebe auch die Lage in der Türkei Anlaß zur Sorge. Die Auseinandersetzungen zwischen in Deutschland lebenden Radikalen beider Seiten seien „stark ansteigend“.

AfD-Mann Bystron nannte die Entscheidung zu seiner Beobachtung gegenüber der JUNGEN FREIHEIT „eine ganz üble Inszenierung“. Der Verfassungsschutz werde politisch manipuliert. Den offiziellen Unvereinbarkeitsbeschluß der AfD mit den Identitären habe er nie in Zweifel gezogen, betonte der Bundestagskandidat. Nach Informationen der JF mahnte der AfD-Bundesvorstand Bystron dennoch bereits ab. 


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