© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

Zwei Seiten einer Medaille
Außenhandel: Beim IWF-Frühjahrstreffen wurde über die deutschen Exportüberschüsse debattiert / Wachsende Forderungen im Ausland
Dirk Meyer

Deutschland hat 2016 China von der Spitze verdrängt und darf sich wieder Exportweltmeister nennen: Waren für 1,2 Billionen Euro wurden ausgeführt – 252 Milliarden Euro mehr als eingeführt wurden. Der Leistungsbilanzüberschuß betrug etwa acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Hauptzielland waren mit 106,9 Milliarden Euro die USA, die trotz „Dieselgate“ mit 548.508 Pkw (2015: 618.759) weiter der zweitwichtigste Automarkt der deutschen Industrie sind.

Was deutsche Wirtschaftsvertreter und Politiker als Ausdruck von Wirtschaftsstärke sehen, wertet nicht nur US-Präsident Donald Trump als Folge einer Währungsmanipulation – der bewußt verbilligte Euro erleichtere der deutschen Industrie den Absatz. Christine Lagarde, frühere französische Finanzministerin und Direktorin sowie Gastgeberin der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, forderte erneut als Gegenmaßnahme eine Stärkung des Konsums sowie höhere Investitionen in Deutschland.

Aber was ist von den Vorwürfen zu halten? Produkte „Made in Germany“ sind für das Ausland attraktiv: Kostengünstig und qualitativ hochwertig, für Amerikaner durch den niedrigen Eurokurs zusätzlich begehrenswert. Aber auch ohne „Währungsmanipulation“ wurden 2016 in den Eurostaaten über 1,6 Millionen deutsche Autos abgesetzt. Deutschland hat – etwa im Gegensatz zu Frankreich – seine Wirtschaftsreformen bislang gut im Griff, und die Gewerkschaften halten die Lohnforderungen im Rahmen. Auch ist der Vorwurf einer Wettbewerbsmanipulation durch Dumpingmaßnahmen nicht haltbar. Eine vergleichsweise hohe Steuer- und Abgabenlast von etwa 40 Prozent sowie überdurchschnittliche Umweltschutz- und Sicherheitsstandards sind kein Indiz für Exportförderung. Der Importdruck von Dumpingstahl aus China trifft die USA genauso wie Deutschland.

Der niedrige Eurokurs hilft den deutschen Exporteuren

Aber Trumps Fokus auf den Euro ist dennoch nicht ganz unberechtigt. Die Einheitswährung erfordert eine Geldpolitik, die für alle Mitgliedstaaten der Währungsunion paßt. Zahlungsbilanz­ungleichgewichte und unterschiedliche Konjunkturen sind ein Zeichen dafür, daß die Geldpolitik keinesfalls für alle paßgerecht ist. Die Bundesbank zeigt in einer Studie, daß die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar von 2014 auf 2016 um 16,7 Prozent zu knapp einem Drittel durch das Anleiheankaufprogramm der EZB verursacht sein dürfte. Dieses soll die schwachen Eurostaaten stützen. Zudem hat die Straffung der US-Geldpolitik den Eurokurs geschwächt. Die Bundesbank schätzt den Abwertungseffekt hierbei auf 6,8 Prozent. Letzteres unterschlägt Trump. Dennoch: Nach Angaben der OECD ist der Euro für Deutschland etwa um 20 Prozent unterbewertet, also zu billig.

Aus deutscher Sicht ist die Kehrseite des Exporterfolges wesentlich wichtiger. Seit Euro-Einführung haben sich die Exportüberschüsse verdreifacht. Damit geht aber ein Aufbau von Forderungen gegenüber dem Ausland einher, also eine Anlage in Vermögenswerten. Nur zu einem geringen Teil fließt dieses Geld in risikoreiche, aber sehr profitable Direktinvestitionen (Mercedes-Werk/Alabama, Siemens-Beteiligungen).

Ausländische Staatsanleihen und Finanzmarktpapiere sind hingegen renditeschwach und im Rahmen der Euro-Rettungshilfen stark ausfallgefährdet. Da sich zur Finanzierung der griechischen oder italienischen Importe (mit 300.000 Stück größter Absatzmarkt der deutschen Autoindustrie in der Eurozone) teilweise keine privaten Geldgeber finden, finanziert die EZB diese Kredite. Der dies widerspiegelnde Target-Saldo beträgt 830 Milliarden Euro. Damit liegt über die Hälfte des Nettoauslandsvermögens in fragilen Forderungen des Eurosystems. Bei Insolvenz eines Eurostaates oder dem Zusammenbruch des Euros würden diese Forderungen verloren sein.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.