© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/17 / 28. April 2017

Blick in die Medien
Wenn der Pizzabote klingelt
Tobias Dahlbrügge

Es hätte so schön werden können: Ein SPÖ-Kanzler, der sich als Pizzabote verkleidet, überraschend bei einfachen Leuten klingelt und sich ihre Sorgen anhört – ganz großes Kino! Das muß man den Werbefritzen lassen: Wenn sie eine Kampagne planen, kommen echte Gefühle dabei heraus. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern wollte mit diesem PR-Einfall in den sozialen Netzwerken zum Star der Herzen und Held der Menschen von nebenan werden. 

Doch so ganz traute man den „einfachen Bürgern“ wohl nicht über den Weg. Was, wenn der Kanzler zufällig bei einem besoffenen Proll im Feinripp-Unterhemd geklingelt hätte? Oder wenn ihm unverhofft ein Mitglied der Identitären Bewegung die Tür geöffnet hätte? Weil echte PR-Profis nichts dem Zufall überlassen, übernahmen sicherheitshalber zuverlässige „Darsteller“ die Rolle der „rein zufällig“ besuchten Kunden.

Das ist so dilettantisch und hölzern, daß es die DDR-Propaganda besser hinbekommen hätte.

Allerdings vergaß die Regie, das Namensschild der ersten „überraschend“ besuchten Familie abzukleben – ein kurzer Blick bei Google entlarvte, daß der „spontane Bürgerbesuch“ bei einem Funktionär der eigenen Partei stattfand: Ralf Tatto ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit im SPÖ-geführten Sozialministerium – und spielt gekonnt den Überraschten, als sein Kanzler mit der Pizza vor der Tür steht.

Ab da ist das PR-Video nur noch grotesk. Gipfel der Realsatire: Kern fragt, was sich die Familie denn von der großen Politik wünscht. Tattos Frau – die ebenfalls im Sozialministerium arbeitet – spult ab, sie möchte mehr Zeit für die Familie. Und ihr Mann ergänzt, man müßte die Familienfreundlichkeit von Unternehmen fördern. Der Text ist exakt auf ein Wahlkampfversprechen von Tatto zugeschnitten.

Das ist so beleidigend dilettantisch und hölzern, daß es die DDR-Propaganda professioneller hinbekommen hätte. Wann verstehen die Politiker endlich, daß sie in Zeiten des „Neulands“ mit solchen Tricks nicht mehr durchkommen?