© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Von der Leyen verspielt Vertrauen
Fall Franco A.: Kritik an Generalverdacht der Ministerin
Peter Möller

Die Aussage ist brisant. „Im Grund kann man doch sagen: Der Fisch stinkt vom Kopf her.“ Der Satz eines hohen Offiziers, den die ARD am Montag zitierte, ist auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gemünzt und zeigt, daß die groteske Geschichte des Oberleutnants der Bundeswehr, der sich offenbar mit dem Ziel, einen Terroranschlag zu verüben, unter falschem Namen als Flüchtling ausgegeben hatte, mittlerweile ganz oben angekommen ist.

Doch auch gut eine Woche nach den ersten Meldungen über den nach wie vor undurchsichtigen Fall ist dessen ganze Dimension noch immer nicht zu erfassen. Nur eines scheint sicher: Für Verteidigungsministerin von der Leyen könnte die Geschichte gefährlich werden.

Ende vergangener Woche hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main einen 28 Jahre alten Oberleutnant wegen des Verdachts, eine schwere staatsgefährdende Straftat geplant zu haben, festnehmen lassen. Der Mann, Franco A., der im elsässischen Illkirch stationiert war, soll sich im Dezember 2015 in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge unter falschem Namen als syrischer Flüchtling ausgegeben haben. Neben seinem Dienst bei der Bundeswehr hat der Mann demnach ein Doppelleben als Asylbewerber geführt. Ziel sei es offenbar gewesen, unter der Zweitidentität einen Terroranschlag zu verüben und so die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in Mißkredit zu bringen, vermutet die Staatsanwaltschaft, die deshalb von einem fremdenfeindlichen Hintergrund ausgeht. Nach Angaben der Ermittler führte  Franco A. eine Liste mit möglichen Anschlagsopfern.

Besonders kurios: Der Oberleutnant spricht offenbar kein Arabisch. Die Gespräche des Mannes, der unter anderem die französische Offiziersschule Saint-Cyr absolviert hat, mit den Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seien auf Französisch geführt worden.

Aufgeflogen sei der Offizier, der sich in seiner Flüchtlingsunterkunft nur sporadisch aufgehalten habe, nachdem er Anfang des Jahres eine scharfe Waffe in einer Toilette auf dem Wiener Flughafen versteckt hatte. Als er die Pistole aus ihrem Versteck holen wollte, wurde er von den österreichischen Behörden vorübergehend festgenommen. Bei den weiteren Ermittlungen seien dann die Hintergründe aufgedeckt worden.

Für wie brisant von der Leyen den Fall auch für sich selbst einschätzt, zeigt sich daran, daß sie in die Offensive ging und nicht etwa von einem Einzelfall sprach oder vor einem Generalverdacht gegen ihre Offiziere warnte, sondern gleich das komplette Offizierskorps unter Anklage stellte. Am Wochenende hatte von der Leyen mit Blick auf die späte Enttarnung des Oberleutnants von „falsch verstandenem Korpsgeist“ unter den Offizieren der Bundeswehr gesprochen. Eine Rolle bei dieser Einschätzung hat offenbar die Masterarbeit des Mannes gespielt, die dieser 2014 an der französischen Militärakademie eingereicht hatte. Die Arbeit war nach Aussagen eines anderen Soldaten von den französischen Professoren angeblich als extremistisch und unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eingestuft worden. Indes war der Vorfall nicht aktenkundig geworden. 

Obwohl bislang nicht klar ist, wie bedeutend dieser Vorfall tatsächlich war, fiel die Reaktion der Ministerin äußerst harsch aus. „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“, sagte von der Leyen, die immerhin bereits dreieinhalb Jahre an der Spitze des Ministeriums steht, am Sonntag im ZDF.

„Jeder rechtschaffene    Soldat fühlt sich beleidigt“

Die Reaktionen aus der Truppe auf diesen Frontalangriff ließen nicht lange auf sich warten. „Es versteht keiner, warum sich die Ministerin nach dreieinhalb Jahren im Amt nun quasi auf die Tribüne zurückzieht und pauschal über die Truppe urteilt“, sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, „tagesschau.de“. Am Montag reagierte die Ministerin auf die wachsende Kritik und ließ auf der Internetseite des Verteidigungsministeriums einen offenen Brief an die Truppe veröffentlichen. Das Schreiben kann als Versuch gewertet werden, bei den Soldaten Vertrauen zurückzugewinnen. „So manches verkürzte öffentliche Urteil über die Bundeswehr erscheint in seiner Pauschalität überzogen und ungerecht“, heißt es unter anderem. Gleichzeitig aber bekräftigt von der Leyen ihr Mißtrauen gegenüber der Führung der Bundeswehr mit Verweis auf mehrere derzeit diskutierte Fälle von sexuellen Übergriffen und Verfehlungen durch Ausbilder. 

Auch nach dem offenen Brief riß die Kritik an von der Leyen nicht ab. „Daß sie der Truppe pauschal vorwirft, sie hätte ein Haltungsproblem, macht mich fassungslos“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, der Passauer Neuen Presse. „Jeder rechtschaffene Soldat fühlt sich von ihr beleidigt. Ich erwarte, daß sie sich entschuldigt.“ Und auf Twitter fügte er hinzu: „Es gibt jetzt nicht nur den Fall ‘rechtsextremer Soldat’. Inzwischen gibt es auch den ‘Fall von der Leyen’.“