© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Soros’ Privilegien abschaffen
Ungarns neues Hochschulgesetz: Während Brüssel dien Druck erhöht, sucht Budapest die Wogen zu glätten
Michael Link

Mit drastischen Worten verteidigte Ungarns Premier Viktor Orbán im Europaparlament eine Gesetzesnovelle, welche das Aus für die vom US-Milliardär George Soros gegründete Central European University (CEU) bedeutet: „Ich weiß, daß die Macht, die Größe und das Gewicht von Ungarn viel kleiner sind als die des Finanzspekulanten George Soros, der jetzt Ungarn angreift.“ Soros, so der 53jährige, finanziere illegale Migration nach Europa.

Die Eliteuni CEU ist nur eine von vielen Organisationen und Initiativen, die Soros nach dem Ende des Kalten Krieges in Ungarn gegründet hat – und die nicht nur von Viktor Orbán und seiner Fidesz-Partei kritisch gesehen werden. 

Unbotmäßige Einflußnahme stoppen

Laut einer Umfrage der Századvég-Stiftung im Dezember sprachen sich 61 Prozent der Ungarn gegen den Einfluß des in Budapest geborenen amerikanischen Finanziers durch dessen Organisationen und Initiativen aus. „Die CEU ist keine Universität. Sie ist bloß eine ‘geschickte’ finanzielle Konstruktion, die übliche Soros-Schiene, durch die man amerikanische Diplome erwerben kann, ohne dabei in Amerika sein zu müssen“, kommentierte Géza Exe in der Budapester Zeitung (BZ).

Der Gesetzesnovelle vom 4. April zufolge dürfen ausländische, Diplome vergebende Hochschulinstitutionen in Ungarn nur noch dann arbeiten, wenn sie über einen zwischenstaatlichen Vertrag verfügen. Andernfalls sei es den Hochschulinstitutionen ab dem 1. Januar 2018 nicht mehr erlaubt, Studenten aufzunehmen. Bildungsminister Zoltán Balog hatte laut BZ zwar „fachliche und rechtliche Argumente“ für die Novelle angeführt, vor allem aber die weltweiten Soros-Kampagnen kritisiert. Ungarn wolle, so Balog, möglichst viele autonome, international anerkannte Hochschulinstitutionen im Land haben, allerdings wolle man den Versuchen „internationaler Einflußnahme“ keinen entsprechenden Raum gewähren.

Doch das Verständnis für diese „Lex CEU“, gegen die in der ungarischen Hauptstadt in den letzten drei Wochen mehrere Großdemonstrationen stattfanden, blieb in der EU-Kommission aus. Mit einer Klage der Kommission gegen Ungarn sind die Beziehungen zwischen Brüssel und Budapest nun auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. 

Nach Ansicht der EU-Kommission verstößt das ungarische Hochschulgesetz mehrfach gegen EU-Recht: So verletze es die Grundfreiheiten im Binnenmarkt, verstoße gegen den in der EU-Grundrechtecharta verankerten Grundsatz der akademischen Freiheit, das Recht auf Bildung und unternehmerische Freiheit und verletze die rechtlichen Verpflichtungen der EU unter internationalem Handelsrecht. Am Ende des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Ungarn könnten Strafzahlungen oder sogar ein Entzug des Stimmrechts im Rat der EU stehen. Nun hat Ungarn einen Monat Zeit, um auf die rechtlichen Bedenken der Kommission zu reagieren.

„Die Anschuldigungen im Zusammenhang mit der Schließung der CEU sind falsch“, wies Orbán die Vorwürfe der EU zurück. Das modifizierte Hochschulgesetz schaffe nur die Privilegien dieser Universität ab und gewähre Chancengleichheit mit den ungarischen Hochschulinstitutionen. Ungarns Bestreben sei es, auf bestehende Fehler aufmerksam zu machen. „Das Vertrauen der Bürger könne nur so zurückerlangt werden, wenn wir alles zur Beseitigung dieser Fehler tun”, betonte der Vorsitzende der regierenden Fidesz-Partei. Fidesz kritisierte auch das Zusammentreffen von Soros mit Jean-Claude Juncker, dem Präsidenten der EU-Kommission, in der Vorwoche. Dieser Besuch sei „Lobbyarbeit“, um wegen der Migrationspolitik Druck auf Ungarn auszuüben. 

EVP nicht amüsiert über Orbáns Verhalten

Die ungarische Regierung wehrt sich gegen die Flüchtlingspolitik der EU, in der sie die Zulassung von „Masseneinwanderung“ sieht. Dabei hat die Regierung im März, wenige Tage nach dem 60. Jahrestag der Römischen Verträge, eine unter dem Titel „Stoppt Brüssel“ laufende Bürgerbefragung in Ungarn initiiert, welche seither das Verhältnis zwischen der EU und der ungarischen Regierung belastet. 

Budapest weigerte sich bisher, einen gemeinsamen Beschluß zur Aufteilung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland umzusetzen. „Wir tun das für Deutschland, Österreich und Schweden“, verteidigte der ungarische Regierungschef das harte Vorgehen. „Dafür sollten wir belohnt werden.“ Ungarn schütze damit doch nur die Außengrenzen des Schengen-Raums.

Zwar sei das Engagement der ungarischen Regierung für die Europäische Union „unbestreitbar“ und „die Verbundenheit Ungarns mit der EU nicht in Frage zu stellen“, beteuerte Orbán bei der Plenarsitzung des Europaparlaments. Doch brachte der Premier auch die Unzufriedenheit seines Landes mit der Arbeit der EU zum Ausdruck. Entsprechend forderte er die EP-Abgeordneten auf, sich kritisch mit den Vorurteilen gegenüber Ungarn auseinanderzusetzen und mit gleichem Maß zu messen. 

Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen, hielt statt dessen im Europaparlament eine flammende Rede gegen den anwesenden Ungarn. „Sie versuchen, alle Feinde auszumerzen“, polterte Verhofstadt. „Sie wollen das Geld der EU, nicht aber ihre Werte.“ Scharfe Kritik an Fidesz übte auch die Europäische Volkspartei (EVP). Ein Ausschluß der Partei sei aber kein Thema bei der Zusammenkunft Orbáns mit der EVP-Spitze gewesen, hieß es im Anschluß an das Treffen, bei dem der Ungar Besserung gelobt und erklärte, die Auflagen der EU akzeptieren zu wollen.  

Doch auch im eigenen Land bläst Orbán und seiner Fidesz-Partei kräftiger Wind entgegen. Die oppositionellen Parteien wie die Sozialisten und Jobbik, aber auch die demokratischen Koalitionsparteien haben den Premier für seine Ausführungen im Europäischen Parlaments am Mittwoch kritisiert.

Jetzt erhofft sich Budapest Rückendeckung aus Polen. Tatsächlich ist eine Verurteilung Ungarns durch die EU-Kommission derzeit eher unwahrscheinlich, zumal jede EU-Regierung das Strafverfahren blockieren kann. Da Orbán der polnischen Regierung versprochen hat, eine eventuelle EU-Verurteilung wegen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu torpedieren, kann er nun das gleiche von Warschau erhoffen.