© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Steuerschmu nicht nur bei EU-Neuwagen
Bericht des Bundesrechnungshofes: Mängel bei den Vergabeverfahren und in der Fachaufsicht / Bundesminister überfordert?
Christian Schreiber

Der Bundesrechnungshof prangert in seinem jüngsten Gutachten erneut eine massive Steuerverschwendung an. Die medial bereits hitzig diskutierten Gesundheitskurse bei der Bundeswehr sind dabei nur die boulevardeske Spitze des Eisbergs. Beim grenzüberschreitenden Kauf von EU-Neufahrzeugen komme es systematisch zum Umsatzsteuerbetrug. Die Steuer werde dabei nicht abgeführt: „Das geschieht beim Privatkauf, das geschieht aber auch beim Verkauf der Fahrzeuge von Händlern aus dem EU-Ausland an deutsche Händler“, heißt es in dem jüngsten Rechnungshofbericht.

Die Branche tue so, als würde sie einen Neuwagen in ein EU-Land verkaufen. Tatsächlich gelangten die Fahrzeuge zum Weiterverkauf an inländische Händler: „Dadurch umgehen sie Steuerzahlungen in Deutschland und der Staat schaut tatenlos zu. Deutsche Finanzbehörden müßten ausländische Behörden eigentlich um Mithilfe bitten, etwa anfragen, ob ein Pkw wirklich im Ausland angemeldet wurde. Doch die IT der deutschen Behörden ist für den Informationsaustausch nicht geeignet.“ Allein ein einzelner Autohändler habe den Fiskus so um drei Millionen Euro betrogen.

„Autobahnen dürfen keine Renditeobjekte werden“

Um die Steuern geht es auch bei der Forschung. Dort spricht der Rechnungshof gar von „einem Irrsinn“. Eine privatrechtliche Einrichtung versteuert ihre Forschungsumsätze mit sieben Prozent. Für staatliche Hochschulen und öffentlich-rechtliche Einrichtungen gilt der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. „Diese Ungleichbehandlung führt jedenfalls zu Nachteilen im Wettbewerb um Forschungsaufträge“, kritisiert der Bundesrechnungshof. Um die steuerliche Benachteiligung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen zu beenden, sollte das Bundesfinanzministerium endlich auf eine einheitliche Besteuerung der Auftragsforschung hinwirken.

Der Bundesrechnungshof bleibt darüber hinaus bei seiner Kritik an der von der Bundesregierung geplanten Autobahngesellschaft (JF 3/17). Die vorliegenden Gesetzentwürfe führten nach wie vor dazu, „daß die Kontrollrechte des Parlaments verlorengehen und die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes geopfert werden“, warnte Behördenpräsident Kay Scheller. Im Interesse des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge müsse die Regie über die deutschen Autobahnen in staatlicher Hand bleiben: „Die Autobahnen dürfen zu keinen Renditeobjekten im Interesse privater Investoren werden“, so Scheller. Doch Banken und Versicherungen suchen händeringend nach sicheren Anlagemöglichkeiten. Und zur Freude von Finanzminister Wolfgang Schäuble (oder dessen Nachfolger) würden die künftigen Autobahngesellschaftsschulden bei einer Privatisierung nicht im Bundeshaushalt erscheinen.

Seine Kontrollrechte ausgeübt hat der Rechnungshof auch bei der Rentenversicherung. Bei Angestellten überweist der Arbeitgeber die Beiträge automatisch an den Versicherungsträger. Selbständige hingegen haben die Wahl: Sie können die Beiträge abbuchen lassen, überweisen oder einzahlen. Einige Handwerker handhaben dies offenbar sehr locker und überweisen ihre Pflichtbeiträge verspätet oder gar nicht. Dies führe „zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand, um die rückständigen Schuldner zu mahnen und gegebenenfalls deren Pflichtbeiträge einzutreiben“.

„Erfolgsabhängige Vergütungen“

Kritik gibt es auch an den Bundesbeteiligungen. Die Deutsche Bahn, die Flugsicherung und das Verwertungsunternehmen Vebeg gehören mehrheitlich dem Staat. Der Wert der Beteiligungen beträgt 29 Milliarden Euro. „Manchen Teilen der Bundesverwaltung war nicht klar, daß die Erfolgskontrolle der Beteiligungen in ihrer Verantwortung liegt“, heißt es in dem Jahresbericht. „So ließ die Verwaltung erfolgsabhängige Vergütungen zu, auch wenn der Erfolg ausblieb oder nicht meßbar war.“ Dadurch sei ein beträchtlicher Schaden entstanden.

Ein besonderes Augenmerk hat der Rechnungshof auf die Bundeswehr gerichtet. Die erwähnten Sportkurse würden zu einem Ausfall von mehr als 3.000 Vollzeitstellen führen: „Nähme nur jeder fünfte Beschäftigte das Angebot in Anspruch, fielen etwas über 100.000 Arbeitsstunden pro Woche weg.“ Dies sei angesichts der Personalknappheit der Armee ein echter Skandal. Beim Verteidigungsministerium bestünden darüber hinaus „weiterhin Mängel in den Vergabeverfahren und bei der Fachaufsicht“.

Wenn ein Marineschiff durch einen Hafen geschleppt wird, dann übernehmen dies meist private Schleppdienste. Eigentlich müßte die Marine solche Aufträge ausschreiben, dies bleibe aber aus. Obwohl der Rechnungshof bereits 2013 auf die Defizite hinwies, sei bislang nichts geschehen. Unwirtschaftliche Rahmenverträge seien immer noch nicht gekündigt und Verfahren noch nicht neu ausgeschrieben worden. Erneut deutliche Kritik übte die Behörde an der IT-Beschaffung der Bundesregierung. Das Innenministerium habe langfristig zwei Rechenzentren angemietet, die weitgehend ungenutzt blieben. Darüber hinaus sei teure Netzinfrastruktur eingekauft worden, die zum Teil jahrelang „originalverpackt“ herumstand.

Immerhin in einem Punkt konnten die Prüfer ein Lob aussprechen. Sie hatten in den Jahren zuvor die Tatsache moniert, daß ein Bundesverband der gesetzlichen Krankenkassen ein Büro auf der Urlaubsinsel Mallorca betrieben habe. Die Forderung, daß die AOK dafür eine Online-Beratung einführen solle, wurde mittlerweile umgesetzt.

„Bemerkungen 2016 – Band II zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“:  www.bundesrechnungshof.de