© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Knapp daneben
Erfordernisse der Zeit
Karl Heinzen

Walter Spindler darf sich geehrt fühlen. Zwar soll er erst aus den Medien vernommen haben, daß er als Chef des Ausbildungskommandos des Heeres abberufen wurde. Auf diese Weise erfuhr er aber wenigstens, was er falsch gemacht hat. Einen Anspruch auf diese Information besaß er nicht. Die Verteidigungsministerin kann Generale jederzeit ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand versetzen. 

Die gegen Spindler erhobenen Vorwürfe wiegen schwer. Immer wieder ist die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten mit schockierenden Berichten aus dem Innenleben der Truppe konfrontiert worden. Immer wieder standen dabei Ausbildungseinrichtungen, für die Spindler die Verantwortung trug, im Mittelpunkt. Und was hat er getan? Anstatt den Hammer kreisen und die Köpfe rollen zu lassen, meinte er, strikt nach rechtsstaatlichen Prinzipien vorgehen zu müssen. Wer einen Vorfall penibel aufklären will, braucht dafür aber Zeit, zuviel Zeit. Er verpaßt die Chance, spontan ein Zeichen zu setzen, das die nach einem Menschenopfer schreiende Medienöffentlichkeit besänftigt.

Dies als „Verschwendung“ bezeichnen kann nur, wer den früheren Leerlauf der Bundeswehr nicht kennt.

Doch nicht nur Spindler fällt es schwer zu begreifen, was die Erfordernisse der Zeit sind. Auch der Bundesrechnungshof scheint damit seine liebe Mühe zu haben. In seinem jüngsten Bericht versteigt er sich zu der Kritik, daß sich Angehörige der Bundeswehr im Rahmen ihrer Dienstzeit zwei Stunden wöchentlich gesundheitsfördernden Aktivitäten wie Rückenschule, Krafttraining oder Nordic Walking widmen dürfen. Nähmen auch nur 20 Prozent der Berechtigten dieses Angebot wahr, so die kleinliche Berechnung, würde damit die Arbeitszeit von 3.300 Vollzeitstellen verschwendet. Dies als „Verschwendung“ bezeichnen kann nur, wer den Leerlauf nicht kennt, der die Bundeswehr von einst quälte. Zwei Stunden etwas für sein Wohlbefinden zu tun ist allemal besser, als Akten von A nach B zu tragen. Auch der Disziplin wird auf diese Weise gedient: Im Krafttraining können Soldaten Aggressionen abbauen und kommen zumindest in dieser Zeit nicht auf die dumme Idee, ihre Neurosen an Mitmenschen abzureagieren.