© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Landtagswahlen
Rot-Grün am Ende
Dieter Stein

Ein vielsagendes Bild wurde wenige Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein in sozialen Medien verbreitet: Torsten Albig, Noch-Ministerpräsident in Kiel, sein Landeschef Ralf Stegner und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sitzen sich in einem Zugabteil gegenüber. Draußen gleitet die Landschaft vorbei. Alle drei Herren blicken aneinander vorbei. Schulz, Arme oberhalb seines Bauches verschränkt, schaut hinaus, mahlende Kiefer und zusammengekniffene Lippen, die Augen werden vielleicht einen Punkt am Horizont fixieren. Albig neben ihm, halb zur Seite gekippt, Lippen mißmutig geschürzt, wendet den Blick auf die andere Gangseite. Beiden gegenüber sitzt Stegner, in der linken Hand eine Wasserflasche, mürrisch starrt er ins Nirgendwo. Ein Sinnbild des derzeitigen SPD-Blues.

Möglicherweise haben die drei eben jüngste Meinungsumfragen gelesen und wissen, daß sich die SPD weiter im Sinkflug befindet. Der große Rummel, den die Partei flankiert von Medien um den Kanzlerkandidaten Schulz entfaltet hat, das Hochschnellen der Werte bei Umfragen, entpuppt sich mehr und mehr als Strohfeuer.

Es ist bemerkenswert, wie es der CDU mit einem nur wenig bekannten Spitzenkandidaten Daniel Günther gelungen ist, zuzulegen und als stärkste Partei aus der Wahl hervorzugehen. Krisenstimmung herrscht deshalb im Willy-Brandt-Haus, denn die SPD hatte sich Rückenwind durch die sicher geglaubten Bestätigungen der Amtsinhaber in Kiel und Düsseldorf erwartet – für Nordrhein-Westfalen trüben sich die Wahlaussichten nun nach der Schlappe in Kiel noch weiter ein.

Bei der jüngsten Wahl konnte erneut ein interessantes Phänomen beobachtet werden: In allen Wahlen, bei denen die AfD in Parlamente einzog (außer den Stadtstaaten Hamburg und Bremen), bekam Rot-Grün keine Mehrheiten mehr. Obwohl CDU und FDP eine Kooperation mit der AfD (noch) verweigern, so sichert die neue Kraft eine strategische Mehrheit gegen dieses Linksbündnis. Erstaunlich auch, daß die Verluste der Piratenpartei (minus sieben Prozentpunkte) nicht in einen Zugewinn bei SPD und Grünen mündeten.

Warum die Union und besonders die FDP nun zulegen, muß die AfD nachdenklich machen. Die reanimierte „Leitkultur-Debatte“ signalisiert schwankenden Wählern, die CDU profiliere sich patriotischer, die FDP umwirbt mit runderneuertem Angriffsgeist und modernem Image junge Wähler. Viele fragen sich, warum die AfD nach dem Höhenflug im vergangenen Jahr nicht deutlich stärker abschneidet. Einiges ist hausgemacht: Chaoswochen, ein auf Radikalisierung drängender Rechtsaußenflügel. Aber es dreht sich auch der Wind. Zunächst ist der zwölfte Landtagseinzug in Serie historisch ohne Beispiel. Die Grünen haben dies nach ihrer Gründung nicht in einer solchen Folge geschafft.