© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Nach dem Rechten schauen
Bundeswehr: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bläst zum Großreinemachen gegen Wehrmachtsdevotionalien / Weiterer Soldat in Untersuchungshaft
Peter Möller

Die Operation Säuberung verläuft offenbar planmäßig. „Wir spüren ein höheres Meldeaufkommen als in der Normalität“, sagte am Montag in Berlin ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit Blick auf mögliche Wehrmachts-andenken in Kasernen. Die Anzahl der Meldungen sage zwar nichts über die Qualität aus, zeige aber, wie Vorgesetzte und Mitarbeiter solche Dinge wahrnehmen und darauf achten würden. 

Ende vergangener Woche hatte Generalinspekteur Volker Wieker (siehe Seite 3) laut einem Bericht der Welt am Sonntag angeordnet, sämtliche Liegenschaften der Bundeswehr auf die Einhaltung der Regeln zum Traditionsverständnis in Bezug auf Nationalsozialismus und Wehrmacht zu überprüfen. Mit anderen Worten: Alle Ausrüstungsgegenstande oder Bilder, die mit der Wehrmacht in Zusammenhang gebracht werden – oder gebracht werden könnten – werden derzeit aus den Kasernen entfernt. Bis zu diesem Dienstag sollte Wieker bereits ein Zwischenbericht vorgelegt werden, bis zur kommenden Woche soll die Überprüfung der Bundeswehrgebäude abgeschlossen sein.

Am Sonntag hatte von der Leyen in der ARD-Sendung „Anne Will“ den Ton noch einmal verschärft. Es müsse mit „aller Härte“ und Offenheit aufgeklärt werden, sagte die Ministerin. Notwendig sei, in der Bundeswehr die Sensibilität dafür zu schärfen, was verfolgt und geahndet werden müsse und was toleriert werden könne. „Wir sind noch nicht durch das Schlimmste durch“, kündigte sie an. Es werde noch viel hochkommen. „Aber es lohnt sich. Denn diese Truppe hat es verdient, auch daß wir diesen Säuberungs- und Reinigungsprozeß miteinander durchleben“, sagte von der Leyen.

Das trug ihr am Montag die öffentliche Rückendeckung der Kanzlerin ein. „Ursula von der Leyen klärt die Dinge, die bei der Bundeswehr vorgefallen sind, auf. Ich finde es richtig, daß sie hier sehr klar auch das Fehlverhalten benennt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie fände es fast etwas seltsam, „daß man – wenn sie dort mit aller Entschiedenheit rangeht – daraus fast noch einen Vorwurf macht“, verdeutlichte sie.

Trotz des demonstrativen Vorgehens gegen Wehrmachtsandenken in den Kasernen erntete von der Leyen Kritik von der Opposition. Die Ministerin tue so, „als ob Probleme im Umgang mit dem düstersten Kapitel der deutschen Geschichte in der Bundeswehr jetzt erst für sie offenbar werden“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, der Süddeutschen Zeitung. Sie forderte, nun müßten weitere Kasernen, die noch die Namen von Wehrmachtsoffizieren tragen, umbenannt werden. Einen Schritt weiter ging der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger, der einen „Demokratieführerschein“ für Soldaten forderte, der Vergangenheitsbewältigung und politische Bildung einschließen müsse. „Wir kratzen da im Augenblick erst mal noch an der Oberfläche“, sagte er. Die Linke habe bereits mehrfach zum Thema Traditionspflege Anfragen im Bundestag gestellt und vor diesem Phänomen gewarnt, ohne Gehör zu finden. Die Führungsebene scheine „tatenlos zuzusehen, wenn sich beispielsweise Soldaten in Wehrmachtsgedenkräumen zusammenrotten“.

Unterdessen gerät in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr aus dem Blick, daß der terrorverdächtige Bundeswehroffizier Franco A. offenbar nicht nur jahrelang seine Vorgesetzten über seine politische Gesinnung getäuscht hat, sondern auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das dem Bundesinnenministerium untersteht, trotz fehlender Arabischkenntnisse vorgaukeln konnte, er stamme aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Nicht nur im Innenministerium fragen sich die zuständigen Beamten seitdem: Wenn es Franco A. gelungen ist, die offenbar völlig überforderte Behörde so einfach zu täuschen – wie vielen anderen ist es auch gelungen? Und aus welchen Motiven, und wo sind die Betreffenden jetzt? Doch diese brisanten Fragen, die vermutlich eine größere Bedeutung für die innere Sicherheit in Deutschland haben als einige Wehrmachtsstahlhelme in Bundeswehrkasernen, spielen derzeit in Berlin bestenfalls eine untergeordnete Rolle.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte es bereits in der vergangenen Woche abgelehnt, nachträglich alle Asylanträge der vergangenen Jahre erneut zu überprüfen. Ein Grund: Das Bamf hat nach dem Abebben der Flüchtlingswelle in den vergangenen Monaten die Zahl der sogenannten Entscheider bereits wieder um fast 2.000 Stellen reduziert. 

Derweil haben Beamte des Bundes-kriminalamtes am Dienstag in Kehl einen weiteren Bundeswehrsoldaten festgenommen. Der 27jährige Maximilian T. soll seinen Kameraden Franco A. gegenüber Vorgesetzten beim Jägerbataillons 291 in Illkirch gedeckt haben. So entschuldigte er A., während dieser als vorgeblicher Asylbewerber persönlich beim Bamf erscheinen mußte.