© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Obamacare light
US-Gesundheitsreform: Trump glücklich über Abstimmungserfolg im Repräsentantenhaus
Thorsten Brückner

Über 60mal hat das Repräsentantenhaus zwischen März 2010 und dem Ausscheiden Obamas aus dem Weißen Haus im Januar 2017 über die nach Trumps Vorgänger benannte Gesundheitsreform abgestimmt. Stets scheiterte der Versuch, das Gesetz abzuschaffen oder zumindest zu entkernen am Widerstand des damals von den Demokraten gehaltenen Senats.

Nun sind die Vorzeichen in der zweiten Kammer andere. Ende März jedoch war Trump mit einer Neufassung der Gesundheitsversicherung noch gescheitert.

Vor allem der libertär-konservative „Freedom Caucus“ hatte damals den Entwurf beerdigt. Diesmal entpuppten sich dessen Abgeordnete als handzahme Tiger, die ihrem auf Krawall gebürsteten Dompteur im Weißen Haus aus der Hand fraßen. Trump hatte nach dem gescheiterten ersten Versuch dem Freedom Caucus die Schuld gegeben. Dessen über 30 Mitglieder hätten Oba­macare und den Abtreibungsanbieter Planned Parenthood gerettet, so sein Vorwurf.

Diesmal stimmten mit Ausnahme eines Repräsentanten alle Mitglieder der Gruppe für den Entwurf – die Zwischenwahlen 2018 werfen ihre Schatten voraus.

Dabei sind viele Änderungen lediglich kosmetischer Natur. Der „American Health Care Act“ läßt über 90 Prozent der Bestimmungen von Obamacare  in Kraft. Wer sich künftig nicht mehr versichert, muß zwar keine Strafe mehr zahlen, erhält aber einen Aufschlag, sollte er sich eines Tages wieder versichern wollen.

Auch für chronisch Kranke ändert sich – Propaganda der Demokraten hin oder her – erst einmal nichts. Wie schon unter Obamacare sind Anbieter verpflichtet, sie zu versichern. Es sei denn, einzelne Bundesstaaten beantragen eine Ausnahmegenehmigung. Schwer vorstellbar allerdings, daß hier ein Gouverneur vorprescht und mit dem Versprechen „Keine Krankenversicherung für chronisch Kranke“ in den Wahlkampf ziehen wird.

Der Meadows-MacArthur-Zusatz, benannt nach zwei Mitgliedern des Freedom Caucus, mit dem diese die Mitsprachemöglichkeit der einzelnen Bundesstaaten sichern wollten, ist für viele konservative Trump-Kritiker somit nicht mehr als ein Feigenblatt. 

Versicherungspolicen auch über Bundesstaatsgrenzen hinweg kaufen und einklagen zu können – eine republikanische Kernforderung seit Jahren – ist ebenfalls nicht Teil des Entwurfs, trotz gegenteiliger Beteuerungen von Trump, der offenbar den Inhalt seiner eigenen Reform nicht kennt.

Wie Trumpcare aussehen wird, steht in den Sternen

Wie Trumpcare am Ende aussehen wird, entscheidet sich, wenn der Senat den Entwurf debattiert und möglicherweise abändert. Mehrere republikanische Senatoren, darunter die früheren Präsidentschaftskandidaten Rand Paul und Ted Cruz haben schwere Vorbehalte geäußert.

Die Republikaner verfügen im Senat über eine überaus knappe Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen. Am Ende müssen dann aber noch beide Kammern des Kongresses über einen identischen Entwurf abstimmen, bevor Trump das Gesetz unterschreiben kann.

Für den Präsidenten ist der Abstimmungserfolg im Repräsentantenhaus dennoch ein wichtiger Sieg. Seine 100-Tage-Bilanz ist verheerend. Einziger Lichtblick: die Ernennung von Neil Gorsuch zum Richter am Obersten Gerichtshof. Bekommt Trump seine Gesundheitsversicherung und die von ihm im Wahlkampf versprochenen Steuererleichterungen durch den Kongreß, darf er auch auf steigende Zustimmungswerte hoffen. Die steckten zuletzt bei rund 40 Prozent fest.

So niedrig wie bei keinem anderen Präsidenten in den ersten 100 Tagen seit dem Zweiten Weltkrieg.