© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Freischaffende Krieger
Söldnerwesen: Hohes Ansehen findet das Gewerbe weltweit selten, doch die Nachfrage ist ungebrochen
Marc Zoellner

Daß die Jungs von Malhama Profis sind, läßt schon ein Blick auf ihre Netzseite erkennen: Ein perfekt inszeniertes Logo mit Wiedererkennungswert ziert die Banner und Fotos auf ihrem Twitter-Profil. Szenische Aufnahmen von Soldaten in voller Camouflagemontur, mit Schnellfeuergewehr und Sturmhauben, in Kampfposition oder auf Patrouille, zeugen von den vielfältigen Schlachtfelderfahrungen ihres kleinen, aber weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten wie gefürchteten Elitekorps – und ebenso von der Menge an Einsatzmöglichkeiten, für welche ihre Kunden diese Männer anheuern können. 

Denn die Malhama-Kämpfer sind keine regulären Kombattanten in einem der gut sechzig derzeit auf dem Globus tobenden Kriege und Konflikte. Die Malhamas sind Dschihadisten zum Mieten. Söldner, die im Auftrag der al-Qaida-nahen al-Nusra-Front in Syrien aktiv sind, für turkmenische Separatisten in China agieren und auch unter der sunnitischen Minderheit Birmas bereits Fuß gefaßt haben sollen.

Im syrischen Bürgerkrieg fällt ihr Geschäftsmodell dabei auf fruchtbaren Boden: jenes der „freischaffenden Militärdienstleister“, die im Namen ihrer Geldgeber Spezialeinsätze ausführen, Einsatzbesprechungen leiten, Waffen und Ausrüstungen auf dem weltweiten Schwarzmarkt organisieren sowie reguläre Armeeeinheiten wie auch Milizen im Umgang mit modernem Kriegsgerät, mit Taktiken von Straßenkämpfen und Gebäudeerstürmungen schulen. 

Erfahrene Frontkämpfer werden selten arbeitslos  

„Keine unserer Gruppen erhielt gute Lehrstunden von guten Ausbildern, bis wir für eine Weile die Usbeken der Malhama hatten“, berichtete ein ehemaliger Dschihadist stolz der britischen Tageszeitung The Independent. „Sie waren alle sehr jung; […] aber sie waren Spezialisten und hatten gute Waffen.“ Gerade einmal 24 Jahre alt ist der Gründer von Malhama – dem „Armageddon“ – erst; und kaum mehr ist über ihn bekannt, als daß er aus Zentralasien stammt, unter dem Kampfnamen „Abu Rofiq“ auftritt und in russischen Einheiten gedient haben soll. 

2013 kam Abu Rofiq erstmalig nach Syrien, drei Jahre später gründete er mit Gleichgesinnten aus Usbekistan seinen privaten Söldnerservice. Und verdingt sich seitdem bei den Radikalislamisten als Ausbilder und Frontkämpfer – auf einem stetig wachsenden Markt, der Neueinsteiger händeringend sucht.

„Diese Glücksritter“, wie Söldner gern euphemistisch genannt werden, „sind schon seit ein paar tausend Jahren zugegen“, erzählt der britische Schriftsteller und ehemalige Marineangehörige Terry Aspinall auf seiner Website mercenary-wars.net. „Ihnen wurde nachgesagt, das zweitälteste Gewerbe der Welt zu sein. Und sie werden auch weiter unter uns sein, solange der Preis stimmt.“

So wie im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins: Mit über 48.000 Mitarbeitern stellten private Sicherheitskräfte unter den Besatzungstruppen im Zweistromland gleich nach den USA das zweitgrößte Kontingent. Ein Umstand, der sich auch nach dem Truppenabzug nicht ändern sollte. Noch im Sommer 2016 arbeiteten im Irak gut 7.800 Söldner als „freischaffende Personen- und Gebäudeschützer“, im Gegensatz zu knapp 4.000 US-Soldaten. Die hohe Mitarbeiterpräsenz schlägt sich selbst in den Opferzahlen des Kriegs nieder: Allein von den mit militärischen Aufgaben beauftragten US-Subdienstleistenden starben von 2003 bis 2011 über 245 Personen; im gleichen Zeitraum jedoch nur 179 der 46.000 britischen Soldaten.

Einen guten Namen haben sich die Sicherheitskräfte während ihrer Arbeit im Irak jedoch nicht erwerben können: Immer wieder, berichteten Medien aus diesen Tagen, komme es zu Mißhandlungen und Folter an Zivilpersonen, zu willkürlichen Erschießungen bis hin zu regelrechten Massakern wie jenem am Bagdader Nisour-Platz, als Angestellte der Firma „Blackwater“ während eines unbeabsichtigt ausgelösten Gefechts mit irakischen Sicherheitskräften siebzehn Zivilisten töteten und zwei Dutzend weitere verletzten. Noch am Folgetag verlor Blackwater zwar seine Lizenz für den Irak. Der entstandene Schaden am Ruf der Firma wie auch des Söldnergewerbes an sich war infolge in der Öffentlichkeit jedoch nicht wieder gutzumachen; selbst nicht mit der zweimaligen Umbenennung Blackwaters 2009 in „Xe Services“ sowie 2011 in „Academi“.

Gleichwohl; ein hohes Ansehen fand das Söldnergewerbe weltweit eh nur selten. Im Juli 2005 hatten die Vereinten Nationen sogar eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema der Söldnereinsätze in weltweiten Krisengebieten eingerichtet. Eine, die von Deutschland, sehr zum Unmut der Opposition im Bundestags, seit Ende 2015 jedoch nicht länger unterstützt wird. Stattdessen stimmte die Bundesregierung noch Anfang November 2015 gegen eine Beschlußvorlage der Vereinten Nationen, welche den „Einsatz von Söldnern als Mittel für Menschenrechtsverletzungen und der Verhinderung der Ausübung des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung“ zu sanktionieren gedachte. 

Denn auch in deutschen Regierungskreisen existieren Szenarien und Überlegungen, die Landesverteidigung weiter zu privatisieren: Zwar sei „die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit – notfalls mit Mitteln physischer Gewalt“, definiert eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags – „grundsätzlich Aufgabe des Staates.“ 

Briten und Amerikaner sehen die Sache liberaler  

Auch eine potentielle Strafrechtsverfolgung erweise sich als prekär, denn „Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen hingegen, die nicht durch Eintritt in die Streitkräfte einer der Konfliktparteien Soldat geworden sind, werden nach dem humanitären Völkerrecht auch nicht als Streitkräfteangehörige betrachtet.“

Als „Sponsored Reserve“ hingegen, so der Fachbegriff, stünde deutschen Staatsbürgern selbst unter dem strengen Bundesrecht nichts entgegen, in Kooperation mit der Bundeswehr sowie ihrer Verbündeten Kriegsdienste zu leisten: Für den Zeitraum des jeweiligen Einsatzes, erklärt der Wissenschaftliche Dienst, würde der jeweilige Auftragnehmer schlicht als Reservist eingezogen und als solcher auch formaljuristisch behandelt – wenn auch gesondert ausgezahlt.

Sonst gilt für Deutschland wie auch für viele andere Nationen der Welt: Entweder ist das Anwerben einheimischer Interessenten für ausländische Militärdienste illegal – so wie es Deutschland im Paragraphen 109h des Strafgesetzbuchs geregelt hat – oder aber die freiwillige Teilnahme an ausländischen Kriegseinsätzen. In Deutschland ist letzteres nicht strafbar; allerdings können sehr wohl im Ausland begangene Verbrechen wie Plünderungen, Mord oder Vergewaltigung auch vor deutschen Gerichten geahndet werden. Bei doppelter Staatsangehörigkeit kann überdies die deutsche aberkannt werden.

Wesentlich liberaler verhält es sich im britischen Königreich: Den Untertanen ihrer Majestät steht es seit je frei, sich in fremde Heere und Milizen einzuschreiben – es sei denn, diese führen Krieg gegen Großbritannien. Und in den Vereinigten Staaten existiert überhaupt kein vereinheitlichtes Recht zu den Belangen der Söldnertätigkeit. Im Gegenteil erfahren private Sicherheitsfirmen von Washington noch substantielle Unterstützung; speziell, um deren Schützenhilfe für die US-Armee in internationalen Konfliktgebieten hervorzuheben.

So verwundert es nicht, daß knapp die Hälfte der zivilen Militärdienstleister in Übersee beheimatet ist. Deren Umsätze sind gigantisch: Allein die in Virginia ansässigen Firmen DynCorp und CACI, deren insgesamt rund 45.000 Mitarbeiter in Krisenregionen wie Somalia, Haiti und Bosnien, aber auch in Drogenkriegen wie jenem Boliviens Anwendung finden, verzeichneten in den vergangenen Jahren Umsätze von über sechs Milliarden US-Dollar jährlich – mit Umsatzsteigerungen von rund sechshundert Prozent im Vergleich zu Beginn des Milleniums. 

Insgesamt, so schätzen Beobachter, seien allein im Jahr 2013 von den US-Geheimdiensten über 190 Milliarden US-Dollar an das Konglomerat lokaler amerikanischer Militärdienstleister geflossen. Erstaunlich hohe Gehälter sind diese dadurch wiederum an ihre Bewerber zu zahlen in der Lage – und werben somit effektiv neue Söldner für ihre Unternehmen an: Im Irak beispielsweise verdienen schon einfache Mitarbeiter der großen US-Söldnerfirmen nicht weniger als 600 US-Dollar pro Tag; meist noch zuzüglich Gefahrenzulagen.

Über solch enorme Vergütungen können die Kollegen in Rußland mit ihren etwa 1.100 Euro Verdiensten im Monat nur staunen: Zwar müssen auch russische Staatsbürger mit empfindlichen Strafen bis hin zur Verhaftung durch den Inlandsgeheimdienst rechnen, wenn sie sich an Auslandskonflikten beteiligen. 

Die prekäre Wirtschaftslage des Kreml-Reichs lockt trotz alledem stets neue Kohorten meist junger, militärisch gut gedrillter Anwärter auf die Schlachtfelder der Ukraine sowie neuerdings nach Syrien. Das „TschWK Wagner“, das russische Pendant zum US-Unternehmen Blackwater, wird bei seinen Einsätzen im Nahen Osten sogar explizit von der russischen Armee unterstützt (JF 22/16). Gut zehn Prozent der in Syrien agierenden russischen Söldner sollen schon gefallen sein. Doch daß der Tod unvermeidlich zum Beruf des Söldners gehört, zelebrierte schon die französische Fremdenlegion in ihrem berühmten Trinkspruch: „Vive la mort, vive la guerre, vive la Légion Etrangère.“

Nicht alle kämpfen freiwillig fern der Heimat

Kriege, so lehrt die jüngste Geschichte, werden wieder langwieriger: Sie verursachen dadurch höhere Kosten und auch höhere Verluste unter dem eigenen Militärpersonal – was sich wiederum negativ auf die Langzeitmoral der eigenen Zivilbevölkerung auswirkt. 

Dieser Teufelskreis ist einer der Gründe, warum immer mehr Staaten in der Kriegsführung auf Söldnerheere unbeteiligter Drittstaaten setzen. So unterhält allein Saudi-Arabien gegen die Houtis im Jemen mehrere tausend Söldner, vorrangig aus Pakistan und dem Sudan. Ganze 20.000 dieser „Glücksritter“ hat auch der Iran mittlerweile in Syrien stationiert. Nicht alle auf Basis der Freiwilligkeit: Denn neben dem Gros an Afghanen, denen im Überlebensfall die iranische Staatsbürgerschaft garantiert wird, befinden sich auch etliche von Teheran zum Tode verurteilte eigene Staatsbürger, die sich auf dem Feld der Ehre eine zweite Chance erhoffen.

Eine zweite Chance vom Schicksal erhielt offenbar auch „Abu Rofiq“, der Dschihadistensöldner von Malhama.Anfang Februar bombardierte die russische Luftwaffe sein Haus im syrischen Idlib. Im Gegensatz zu seiner Frau und seinem Sohn entkam Rofiq in letzter Sekunde – und hält sich seitdem unter der Schar der Radikalislamisten versteckt, die sich dem IS und al-Nusra angeschlossen haben.

Konventionelle Strategien gegen islamistische Söldner lehrt das Beispiel „Abu Rofiq“, drohen oftmals ins Leere zu greifen. Private Unternehmer favorisieren daher das Konzept des asymmetrischen Krieges gegen die Dschihadisten – des Einsatzes von Söldnerheeren anstelle regulärer Armeen im Kampf gegen den Terror. „Wir sollten eine Arabische Legion gründen, so wie die Briten zu alten Zeiten“, appellierte zuletzt Simon Mann, Gründer des Militärunternehmens Sandline International. „Denn mit der richtigen Ausbildung kann man so gut wie alle in eine gute Truppe verwandeln; solange sie gute Offiziere und Unteroffiziere haben.“