© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Die Taliban des Vormärz
Historischer Roman über Metternichs Widersacher
Daniel Tapp

Nach Metternichs Schmach auf dem Aachener Kongreß (1818) setzt seine rechte Hand, Friedrich von Gentz, alles daran, die nächste Monarchen-Versammlung in Karlsbad (1819) zu einem Triumph der konservativen Partei über die Anhänger einer progressiven Repräsentativverfassung zu machen. Die junge nationalrevolutionäre Burschenschaft gerät dabei ins Fadenkreuz der Reaktion.

In deren harten Kern in Jena wird der schneidige Grenadieroffizier Klaus Steinmetz als Spitzel eingeschleust. Es sind die „Unbedingten“ um den charismatischen Juristen Karl Follen, die sich mit Haut und Haaren dem Kampf um ein geeintes, republikanisches und protestantisches Deutschland verschrieben haben. Inspiriert werden sie von den „politischen Professoren“, die die burschenschaftliche Bewegung von Beginn an ideologisch anführen. Heinrich Luden, Lorenz Oken und Jakob Friedrich Fries verfassen die Schriften, die den Unbedingten als theoretische Grundlage dienen. „Glaube, Wissen, Ahndung“, so lautet die Trias der Follen-Jünger. Mit der ethischen Einschränkung „Tue niemandem etwas an, was du nicht selbst bereit bist zu ertragen“, soll auch politischer Mord legitimiert werden. Noch scheuen sie sich, die Theorie des „Attentatismus“ auch in die Tat umzusetzen. Doch als Spitzel Steinmetz nach seiner blutigen Bewährungsprobe Eingang in den verschworenen Zirkel erhält, nimmt das Schicksal seinen Lauf, das für den Unbedingten Karl Ludwig Sand auf dem Schafott und für die gesamte Burschenschaft in der Demagogen-Verfolgung enden soll. 

In der spannenden Erzählung werden die Theorien der Allgemeinen Burschenschaft, der radikalrevolutionären Aktivisten und die Sichtweise der Reaktion verfassungsjuristisch und rechtsphilosophisch auf den Punkt gebracht. Überraschen vermag die starke religiöse Attitüde der Unbedingten. Ihr Ziel ist ein streng auf den lutherischen Protestantismus ausgerichteter „Gottesstaat“. Kotzebue-Attentäter Sand ist nicht nur republikanischer Schwärmer, sondern auch religiöser Fanatiker. Sowohl die Beschreibung dieser „Vormärz-Taliban“ als auch die historische Reflexion des Metternichschen Obrigkeits- und Überwachungsstaates haben eine ebenso faszinierende wie erschreckende Aktualität. 

S. Coell: Die Karlsbadverschwörung. Verlag Zur Zeit W3, Achenmühle 2017, gebunden, 224 Seiten, 19,90 Euro