© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Das Unterste zuoberst
Säuberung in Kasernen: Hauptsache weg
Felix Krautkrämer /Christian Rudolf

Überall werden derzeit in Einrichtungen der Bundeswehr Stahlhelme, Panzermodelle, Wandbilder, historische Waffen und Uniformen, Regimentsabzeichen und Orden entfernt. Anlaß ist die Anordnung von Generalinspekteur Volker Wieker, alle Kasernen und Liegenschaften der Bundeswehr auf Wehrmachtsandenken zu durchsuchen. Die Soldaten wurden darüber belehrt, daß die Einheiten Memorabilien aus der Zeit von 1933 bis 1945 nur noch in zuvor genehmigten Sammlungen besitzen dürfen. Reine Dekorationsgegenstände sind verboten, auch wenn es sich um Geschenke anderer Einheiten handelt. Auch dürfen in den Dienstzimmern keine Fotos mehr von Verwandten oder Vorfahren hängen, auf denen diese in Wehrmachtsuniformen abgebildet sind.

Andenken an Jagdflieger Krupinski getilgt

Die Anordnungen werden konsequent durchgesetzt. So wurden nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT beispielsweise beim Taktischen Luftwaffengeschwader 33 auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz entsprechende Fotos des ersten Kommodores, Luftwaffen-General Walter Krupinski, entfernt. Als Jagdflieger schoß Krupinski in Luftkämpfen 197 feindliche Flieger ab.

Jahrelang hing im Bundeswehrkrankenhaus im niedersächsischen Westerstede samt einer Erläuterungstafel die letzte deutsche Rotkreuzflagge, die über Berlin wehte. Sie kennzeichnete einen Truppenverbandplatz der Wehrmacht unweit des Reichstagsgebäudes und die letzte Kommandostelle des Kommandeurs der Sanitätsabteilung Groß-Berlin. In der Nacht zum 1. Mai 1945 wurde sie vor der Roten Armee gerettet. Ende vergangener Woche wurde die hinter Glas hängende Flagge weggeschafft. Bereits in der vergangenen Woche hatte der Focus berichtet, es gebe im Bundeswehrkrankenhaus Überlegungen, die Rotkreuzflagge zu entfernen. Das ist nun geschehen, wie das Bundeswehrkrankenhaus auf Nachfrage der jungen freiheit bestätigte. Die Maßnahme wurde nicht begründet.

Das Offizierskasino in der Panzerlehrbrigade 9 in Munster zierte ein Porträt Kurt von Hammerstein-Equords. Der Generaloberst war ein ausgezeichnet vernetzter Gegner der Nationalsozialisten von Anbeginn ihrer Herrschaft und profilierte sich im militärischen Widerstand gegen Hitler. Dreimal war er an Geheimplänen zum Sturz Adolf Hitlers beteiligt, darunter die September-Verschwörung während der Sudetenkrise 1938. Vergangene Woche fiel das Porträt des Generals der Durchsuchung zum Opfer und verschwand.

Beim Ausbildungszentrum Infanterie in Hammelburg wurde ein Wandbild von Generalfeldmarschall Erwin Rommel übermalt. Erst am Wochenende hatte der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, Johannes Tuchel, betont, die Person Rommels müsse differenziert betrachtet werden. Zwar sei Rommel als „Wüstenfuchs“ für NS-Propagandazwecke genutzt worden, doch seine „Betrachtungen zur Lage“ vom 15. Juli 1944 markierten einen klaren Bruch mit Hitler. Zudem sei er nach dem Attentat vom 20. Juli zum Selbstmord gezwungen worden. „Insofern kann die Erinnerung an Rommel zum Nachdenken über die Grenzen von Befehl und Gehorsam anregen“, sagte Tuchel der Bild-Zeitung.

Die Karwendelkaserne in Mittenwald ist Ausbildungsstützpunkt Gebirgs- und Winterkampf. In einer Galerie zwischen anderen Schwarz-Weiß-Fotografien auf einem Flur befand sich ein Bild von etwa 1939, das Gebirgsjäger bei einer Übung in den Alpen zeigt. Die Soldaten tragen dabei Bergmützen der Wehrmacht. Hauptmann Matthias Rehse nahm das Foto ab: „Wir vernichten es.“ Zuvor war in der Kaserne zwei Tage lang das Unterste zuoberst gekehrt worden.

Schemenhafte drei  Soldaten übermalt

In der Kaserne Murnau zierte eine eineinhalb Meter hohe und zwei Meter breite Malerei eine Wand im Speisesaal. Sie zeigte schemenhaft gezeichnet und in Schwarzweiß drei Soldaten: ohne Abzeichen, aber mit einem Helm, wie von der Wehrmacht bekannt – „wenn auch schwer zu erkennen“, wie das Medienportal merkur.de berichtet. Die Kasernenführung ließ das Gemälde übermalen.

In der Donaueschinger Fürstenberg-Kaserne wurden bei einer Durchsuchung am ersten Wochenende im Mai Stahlhelme der Wehrmacht in einer Vitrine vor dem Speisesaal entdeckt. Außerdem gebe es dort einen Raum, der mit Bildern von Wehrmachtssoldaten, einer Wehrmachtspistole, weiteren Stahlhelmen und Orden geschmückt sei, berichtete der Spiegel. Alles wurde entfernt.