© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Alles muß raus
Bundeswehr I: Eine erste Bilanz der Kasernenfilzungen fällt eher mager aus
Peter Möller

Wie ernst es Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der von ihr angeordneten Säuberung der Bundeswehr von angeblich belasteten Traditionen ist, wird im mecklenburgischen Städtchen Hagenow deutlich. Ende vergangener Woche wurde durch einen Bericht der Schweriner Volkszeitung bekannt, daß die dortige Kaserne aus geschichtspolitischen Gründen ihren Namen verlieren soll. Dabei ist sie überhaupt nicht nach einem Wehrmachtssoldaten benannt, sondern nach Ernst Moritz Arndt. Der Dichter der Freiheitskriege steht nicht erst seit der Debatte um die Umbenennung der nach ihm benannten Universität Greifswald unter Antisemitismusverdacht und gilt als Franzosenfeind. Dennoch regt sich offenbar nicht nur in der Kaserne Widerstand gegen die drohende Umbenennung. 

„Kasernen nach Deserteuren der Wehrmacht benennen“

Deutliche Kritik kommt ausgerechnet aus den Reihen der örtlichen Union. „Wir halten das Ansinnen, die Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne umzubenennen, für unsinnig, überzogen und nicht zielführend“, teilte die CDU-Fraktion in der Stadtvertretung mit. „Wir verurteilen seine rassistischen und antisemitischen Äußerungen, erkennen aber auch seine historischen Leistungen als Freiheitskämpfer an.“ Verbote und Gleichmacherei würden bei der Überwindung solcher Äußerungen nicht weiterhelfen.

Doch auch ohne die bislang regional begrenzte Debatte über die Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne wuchs in der vergangenen Woche der Druck auf die Ministerin weiter. So lud SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Mittwoch öffentlichkeitswirksam den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, ins Berliner Willy-Brandt-Haus. Schulz nutzte die Gelegenheit für einen Angriff auf die CDU-Politikerin und warf ihr vor, sie sei eine „Selbstverteidigungsministerin“, die das Ansehen der Truppe beschädige und sich selbst aus der Verantwortung stehle. Zudem habe sie eine ganze „Berufsgruppe“ unter Generalverdacht gestellt.

Fast zeitgleich teilte von der Leyen dem Verteidigungsausschuß des Bundestages die Ergebnisse der Durchsuchungen sämtlicher Kasernen mit. Demnach wurden in den knapp 400 Standorten der Bundeswehr, in denen 250.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte stationiert sind, 41 verdächtige Gegenstände entdeckt – vom Wandbild bis zur Münze. Eine eher bescheidene Ausbeute. Die Ministerin räumte zudem ein, daß keiner der Funde so schwerwiegend gewesen sei wie in der Kaserne des terrorverdächtigen Oberleutnants Franco A. in Illkirch. Dort hatte ein Raum, der mit Stahlhelmen und Bildern von Wehrmachtssoldaten geschmückt war, die Razzia ausgelöst. Daß in dem Raum – anders als behauptet – nicht nur Wehrmachtsdevotionalien, sondern auch französische Stahlhelme und Bilder von Soldaten aus der Kaiserzeit gezeigt wurden, wurde indes kaum beachtet.

Auf dem traditionellen Parlamentarischen Abend des Reservistenverbandes in der baden-württembergischen Landesvertretung hatte von der Leyen am Abend zuvor ihre harte Linie bekräftigt und die Durchsuchungen verteidigt. „Die Aktion ermöglicht es uns, gemeinsam eine ‘Nulllinie’ zu ziehen, ab der keinerlei Wehrmachtsdevotionalien ohne jegliche historische Einordnung mehr ausgestellt sein dürften“, sagte sie. Nicht jede Devotionalie auf der Stube sei Ausdruck einer rechtsextremen Gesinnung. „Häufig ist Gedankenlosigkeit oder Unwissen im Spiel – oder manchmal auch Vorgesetzte, die Konflikte meiden. Die angeordnete Bestandsaufnahme ist eine Brücke, die wir für alle bauen, um auf den Boden der Erlaßlage zurückzukehren“, sagte sie mit Blick auf den Traditionserlaß von 1982, den von der Leyen noch vor der Bundestagswahl überarbeiten will. Zugleich präzisierte sie ihre zuvor gemachten Ankündigungen, Kasernen umzubenennen und nannte die Namen der beiden Jagdflieger Hans-Joachim Marseille und Helmut Lent. „Beide Namensgeber sind nicht mehr sinnstiftend für die heutige Bundeswehr. Sie gehören zu einer Zeit, die für uns nicht vorbildgebend sein kann.“ 

Im Verteidigungsausschuß kamen zudem weitere Details zum Umfeld von Franco A. zur Sprache. So habe der Militärische Abschirmdienst unter anderem vier Studenten der Universität der Bundeswehr in München in den Blick genommen. Es werde geprüft, ob sie Kontakte zu Franco A. oder zu seinem mutmaßlichen Komplizen Maximilian T. hatten, hieß es. Zudem werden Verbindungen zur Identitären Bewegung und zur Münchner Burschenschaft Danubia geprüft.

Unterdessen gibt sich die Linkspartei mit der von der Verteidigungsministerin angekündigten Umbenennung von Kasernen, die nach Wehrmachtssoldaten benannt sind, nicht zufrieden. „Das ist ein erster, symbolischer Schritt zu einem kritischeren Umgang mit der Wehrmacht“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, der taz. „Ein Zeichen für eine wirkliche Neubewertung wäre es aber, wenn man die Kasernen jetzt nach Wehrmachtdeserteuren benennen würde.“ Den Kritikern von der Leyens dürfte dieser Vorstoß weitere Munition geliefert haben. „Die Frau hat nichts begriffen“, sagte ein namentlich nicht genannter CDU-Bundestagsabgeordneter dem Kölner Stadt Anzeiger und verwies darauf, welche Folgen die anhaltende Diskussion für die Union im Wahljahr haben könnte: Soldaten plus Reservisten plus Familienangehörige – das seien jede Menge Wählerstimmen.