© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gute Absichten
Paul Rosen

Der Weg zur Hölle, sagt der Volksmund, ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Von denen war am vergangenen Freitag im Bundestag viel zu hören. Justizminister Heiko Maas (SPD) will etwas gegen Haß im Internet tun: „Haßkriminalität beschädigt unser Zusammenleben, unsere Debattenkultur und letztlich auch die Meinungsfreiheit“, verteidigte er den von seinem Ministerium eingebrachten Entwurf eines Gesetzes „zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ gegen den Vorwurf, hier werde Zensur im Internet eingeführt und die Meinungsfreiheit in diesem Bereich faktisch abgeschafft. In der Tat würde ein Inkrafttreten des Gesetzes bedeuten, daß Facebook und Co. künftig umstrittene Beiträge schnell löschen müßten, wenn sie nicht ein Bußgeld, das bis zu 50 Millionen Euro betragen könnte, riskieren wollen. Damit würde ein Privatunternehmen die Prüfpflicht haben, Beiträge in zulässige und strafbare Äußerungen einzuteilen. Facebook könnte strittige Äußerungen lieber vorschnell entfernen, als ein von Fall zu Fall steigendes Bußgeld zu riskieren. Daher sprechen Kritiker – von Piraten bis hin zur AfD – von Zensur, weil Äußerungen nicht mehr vor Gericht auf den Prüfstand kommen. 

Der Gesetzentwurf wurde am Freitag im Bundestag zunächst in erster Lesung beraten. Abgestimmt wurde noch nichts, sondern der Entwurf geht jetzt zur Beratung in den zuständigen Rechtsausschuß. Dort müßten aber die weiteren Verfahrensschritte zügig gemacht werden, sonst wird es mit dem „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ bis zur Sommerpause nichts mehr. Und da am 24. September gewählt wird, könnte der Entwurf bei Verzögerungen schnell der Diskontinuität anheimfallen und damit dahin wandern, wo er nach Ansicht der Kritiker hingehört: in den Papierkorb. 

Der von Renate Künast (Grüne) geleitete Ausschuß dürfte sich vermutlich in der nächsten Bundestagssitzungswoche am 31. Mai mit dem Gesetz befassen und eine öffentliche Anhörung beschließen. Die könnte in der am 19. Juni beginnenden Sitzungswoche stattfinden. Änderungen am Gesetzentwurf könnten vor der Schlußabstimmung des Bundestages noch im Rechtsausschuß vorgenommen werden (möglich am Mittwoch, dem 28. Juni). Der Bundestag würde in der vorletzten oder letzten Sitzung vor der Wahl (am 29. oder 30. Juni) abschließend beraten und beschließen. Im Bundesrat stünde das Gesetz dann am 7. Juli auf der Tagesordnung. Wird dieser Zeitrahmen nicht eingehalten, dürfte das Gesetz nicht zustande kommen. 

Manche Hoffnungen richten sich auf Koalitionspartner CDU. Doch wer der Debatte am Freitag lauschte, konnte viel von „Nachbesserungsbedarf“ bei den CDU-Rednern hören, aber nichts vom Wunsch essentieller Veränderungen, die Zeit kosten und den Gesetzentwurf versenken könnten. Bisher verhallen Warnungen selbst der deutschen Zeitungsverleger ungehört. Deren Präsident, Mathias Döpfner, erklärte, was Wahrheit ist, könne keine Regierung und kein Facebook definieren. Und er warnte: „Viele böse Dinge dieser Welt begannen im Namen der guten Absichten.“