© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Aufstand gegen die Eliten
Flandern: Tom Van Grieken, der 30jährige Vorsitzende des Vlaams Belang, führt die Partei aus der Krise und sorgt mit einem Buch für Aufsehen
Mina Buts

Tom Van Grieken, Chef der Unabhängigkeitspartei Vlaams Belang (VB), schreibt Geschichte. Als er mit 27 Jahren in dieses Amt gewählt wurde, war er der jüngste Parteivorsitzende, den es je in Belgien und Flandern gegeben hat. Bei seiner Wahl vor zwei Jahren befand sich der VB an einem Tiefpunkt. Von Wahlerfolgen wie 2007 oder am „Schwarzen Sonntag“ 1991, als die Rechtspartei – damals als Vlaams Blok – in Antwerpen über 30 Prozent der Stimmen errang, hatten interne Streitigkeiten zu mehreren Austrittswellen geführt. 

Das ureigenste VB-Thema, ein von Belgien unabhängiges Flandern, reklamierte die stark gewordene konservative Neu-Flämische Allianz (N-VA) für sich – ohne sich jedoch jemals dafür einzusetzen. Des Dauerthemas Immigration waren viele Bürger überdrüssig. Schon als Student hatte Van Grieken von sich reden gemacht, als er die Nationalistische Studentenvereinigung (NSV) aus der völligen Bedeutungslosigkeit heraus gleich an mehreren Universitäten etablierte und auch deren Vorsitzender wurde. Spätestens als er 2012 gemeinsam mit Parteifreunden ein „Halal“-Grillfest einer Schule in Schoten störte, indem er auf das Schulgelände marschierte und gratis Bockwürstchen aus Schweinefleisch verteilte, war er in ganz Flandern bekannt.

Mit einem „Bierfahrrad“ tourte er durch Antwerpen und machte mit der Verteilung von Freibier darauf aufmerksam, daß im Bierparadies Belgien der Ausschank doch nicht erst ab Volljährigkeit einsetzen dürfe. Erst kürzlich setzte er sich für die Rechte Homosexueller ein: Es könne nicht angehen, daß diese heiraten und Kinder adoptieren dürften, sich aber wegen der zunehmenden Zahl von Moslems kaum noch auf die Straße trauten.

Nun hat Van Grieken sein erstes Buch veröffentlicht: „Zukunft in eigenen Händen. Aufstand gegen die Eliten“. Nicht im parteieigenen Verlag, sondern bei der renommierten Verlagsgesellschaft Van Praag aus Amsterdam. Noch Wochen vor der Veröffentlichung wurde bekannt, daß ausgerechnet Jonathan Holslag, einer der renommiertesten Hochschullehrer Belgiens, der in Brüssel internationale Politik lehrt, das Vorwort geschrieben hatte. Dafür habe er ihn einfach angefragt, sagt Van Grieken.

Holslag erklärte, für seine Großmutter sei der VB noch Feindbild Nummer eins gewesen, doch „die Stärke einer gesunden Demokratie steckt in der Debatte von Ideen, nicht im Ausschluß oder der Verleugnung bestimmter Visionen“. Er habe mit Van Grieken viele lebendige, zugespitzte und respektvolle Gespräche geführt.

Dieses Buch, erläuterte Van Grieken, habe er nach drei Kolloquien zur Neuausrichtung der Partei und zweieinhalb Jahren in seinem Amt für nötig gehalten. Er habe das ein oder andere ordnen und bekannt machen wollen. Die Globalisierung beispielsweise habe zu einer ganz neuen Einteilung der Bevölkerung geführt, ein kleiner Teil profitiere, der andere müsse dafür bluten. Durch sklavenähnliche Kinderarbeit in Fernost entstünden jene Produkte, die Sozialhilfeempfänger dann bei uns konsumierten. Ketten wie Primark, Action, Starbucks und McDonald’s hätten die europäische Identität aufgeweicht, diametral entgegen stehe dem die starke Identität der Einwanderer.

Überhaupt seien die Jugendlichen allesamt „Mietjes“ – Weicheier, Tunten. Für sie fordert Van Grieken eine allgemeine Dienstpflicht. In der Bildungspolitik müsse viel eher auf gleiche Chancen denn auf gleiche Ergebnisse geachtet werden. Schlüsselindustrien wie Energieversorgung oder Spitzentechnologien dürften niemals ausverkauft werden, schon gar nicht an Länder wie China. 

Alle Felder der Politik schreitet Van Grieken ab und verkündet – oft mit anregenden Erkenntnissen – seine Maximen. So urteilt auch Holslag in seinem Vorwort: „Dieses Buch ist ein Aufruf zum Handeln. Patriotismus ist ein Tuwort.“